Ausgabe Juni 2001

Neues vom Moralmarkt

Alle tun es: Der Papst für die Inquisition und für die Kreuzzüge, Bill Clinton (im Namen des "Westens"!) für die Sklaverei, der Bundespräsident in Griechenland für die dort von Deutschen begangenen NS-Verbrechen, der Außenminister für die Prügel, die er einem Ordnungshüter verabreicht hat (in seiner, des Außenministers, zurückliegenden Eigenschaft als Straßenkämpfer), die PDS für den "Anschluß", den 40 Jahre vor Anschluß der DDR ihre "Vorgänger" der SPD verordnet hatten. Andere sollen es tun, wollen aber nicht so recht: Die Regierung Australiens bei den Ureinwohnern, Chirac und Jospin beim algerischen Volk für die Verbrechen während des Algerienkrieges, Japan bei den Koreanern für die "Trostfrauen", und auf die Entschuldigung der PDS in Sachen SPD-Anschluß folgt prompt die Forderung, die SPD solle sich gefälligst endlich für die von ihr zu verantwortenden Berufsverbote entschuldigen. Wieder andere hängen sich an den rollenden Wagen und publizieren wöchentlich eine (mehr oder minder ernst gemeinte) Entschuldigung bei einer Person des "öffentliches Lebens", der wirklich oder vermeintlich Unrecht geschehen ist (wie die "Süddeutsche Zeitung").

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Aktuelle Ausgabe Dezember 2025

In der Dezember-Ausgabe ergründet Thomas Assheuer, was die völkische Rechte mit der Silicon-Valley-Elite verbindet, und erkennt in Ernst Jünger, einem Vordenker des historischen Faschismus, auch einen Stichwortgeber der Cyberlibertären. Ob in den USA, Russland, China oder Europa: Überall bilden Antifeminismus, Queerphobie und die selektive Geburtenförderung wichtige Bausteine faschistischer Biopolitik, argumentiert Christa Wichterich. Friederike Otto wiederum erläutert, warum wir trotz der schwachen Ergebnisse der UN-Klimakonferenz nicht in Ohnmacht verfallen dürfen und die Narrative des fossilistischen Kolonialismus herausfordern müssen. Hannes Einsporn warnt angesichts weltweit hoher Flüchtlingszahlen und immer restriktiverer Migrationspolitiken vor einem Kollaps des globalen Flüchtlingsschutzes. Und die Sozialwissenschaftler Tim Engartner und Daniel von Orloff zeigen mit Blick auf Großbritannien und die Schweiz, wie wir dem Bahndesaster entkommen könnten – nämlich mit einer gemeinwohlorientierten Bürgerbahn. 

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