Ausgabe Juni 2002

Korruption und Demokratie

Stellte Theodor Eschenburg noch Anfang der 60er Jahre fest, dank der guten Tradition des deutschen Beamtentums sei Bestechung und Realkorruption eine verhältnismäßig seltene Erscheinung (Eschenburg 1965, S. 699), so lauten die Befunde heute: "Korruption zerfrisst den Staat, die Parteien fressen mit" ("Die Zeit", 18.4.2002). Sie sei inzwischen alltäglich geworden und gehöre zum "business as usual" (FES 1995, S. 7, 11). Korruption, lange als Phänomen von Drittwelt- oder Schwellenländern verharmlost oder als Ausdruck anderer kultureller Traditionen gutgeheißen, ist spätestens seit den 80er Jahren in gesellschaftlich relevantem Maße auch in unsere Hemisphäre zurückgekehrt.

Ein Blick in eine beliebige deutsche Tageszeitung zeigt inzwischen Alltägliches: Ganze Schmiergeldsümpfe von Spezis und Amigos tun sich auf; Modeschöpfer sind in Korruption ebenso wie Baulöwen, honorige Botschafter und dunkle Hintermänner verstrickt. Nicht länger sind nur Individuen tätig, sondern ganze Netzwerke. "Die Zahlen sprechen eine deutliche Sprache. Allein im Großraum München hat es seit 1990 mehr als 1000 Ermittlungsverfahren wegen Korruption gegeben. Ein Großteil betraf die Baubranche.

Sie haben etwa 4% des Textes gelesen. Um die verbleibenden 96% zu lesen, haben Sie die folgenden Möglichkeiten:

Artikel kaufen (1€)
Digitalausgabe kaufen (10€)
Anmelden

Aktuelle Ausgabe November 2025

In der November-Ausgabe ergründen Carolin Amlinger und Oliver Nachtwey die Anziehungskraft des demokratischen Faschismus. Frank Biess legt die historischen Vorläufer von Trumps autoritärer Wende offen – ebenso wie die Lebenslügen der Bundesrepublik. Daniel Ziblatt zieht Lehren aus der Weimarer Republik für den Umgang mit den Autokraten von heute. Annette Dittert zeigt, wie Elon Musk und Nigel Farage die britische Demokratie aus den Angeln zu heben versuchen. Olga Bubich analysiert, wie Putin mit einer manipulierten Version der russischen Geschichte seinen Krieg in der Ukraine legitimiert. Ute Scheub plädiert für die Umverteilung von Wohlstand – gegen die Diktatur der Superreichen. Sonja Peteranderl erörtert, inwiefern sich Femizide und Gewalt gegen Frauen mit KI bekämpfen lassen. Und Benjamin von Brackel und Toralf Staud fragen, ob sich der Klimakollaps durch das Erreichen positiver Kipppunkte verhindern lässt.

Zur Ausgabe Probeabo

Weitere Artikel zum Thema

Patriotische Zivilgesellschaft: Das Vorfeld der AfD

von Sebastian Beer

Alice Weidel war genervt von der Geräuschkulisse während ihres Sommerinterviews Ende Juli in der ARD. Um das Gespräch mit der AfD-Vorsitzenden zu stören, hatten sich Aktivist:innen des Künstlerkollektivs Zentrum für Politische Schönheit unweit des TV-Studios versammelt und Musik abgespielt.