Im Rückblick scheint es, den größten Teil des Krieges hätten die Alliierten mit und gegen sich selbst ausgetragen. Obwohl man das auch ganz wörtlich verstehen kann, weil bekanntlich ein unverhältnismäßig großer Teil der britisch-amerikanischen Verluste auf freundliches Feuer der eigenen Kameraden zurückging, reicht die Beobachtung weiter: Das hypertrophe Sicherheitsdenken, das, sozusagen nach außen gestülpt, Rumsfelds Megamaschine den Weg nach Bagdad bahnte, um dort, einige Tausend Meilen fern der Heimat, Amerikas "Recht auf Selbstverteidigung" zu exekutieren, verlieh dem ganzen Krieg ausgesprochen surreale Züge. Es war ja, wie wir spätestens jetzt wissen, nicht etwa unerwartet verbissene Gegenwehr der Iraker, die the blitzkrieg ins Stocken brachte und sogleich die ersten Katastrophenszenarien ins Kraut schießen ließ. Nein, sobald Amerikaner oder Briten unter Beschuss gerieten, war es aus mit der Intelligenz, nicht nur der smart weapons und des vielgerühmten Masterplans aus dem Pentagon. Da zählten mit einem Schlag weder Leib und Leben der zu Befreienden mehr, noch der Vorsatz, die Infrastruktur des Landes zu schonen. Da zählte, panic stricken, nur noch eines, der Schutz der eigenen Sicherheit vor Gefahren, für deren Abschätzung, ob eingebildet oder real, offenbar kaum Maßstäbe zur Verfügung stehen.
In der September-Ausgabe plädiert Lea Ypi für eine Migrationsdebatte im Sinne der Aufklärungsphilosophie. Cinzia Sciuto fordert, der zunehmenden Aushöhlung des Völkerrechts mit einer entschiedenen Verteidigung desselben zu begegnen – und nicht mit Resignation und falschem Realismus. Für Georg Diez markieren die Kriegsverbrechen in Gaza und die fehlenden Reaktionen darauf einen Epochenbruch; sie stünden für nicht weniger als den Verrat des Westens an der Humanität. Herfried Münkler analysiert, wie Kriege historisch endeten und Friedenszeiten begannen und was das mit Blick auf den Ukrainekrieg bedeutet. Simone Schlindwein deckt auf, wie Russland junge Afrikanerinnen mit falschen Versprechen für die Kriegswirtschaft rekrutiert. Warum die grüne Digitalisierung ein Mythos ist und was der KI-Boom den Globalen Süden kostet, erläutern Ingo Dachwitz und Sven Hilbig. Und Eva-Maria Klinkisch sowie Markus Rieger-Ladich zeigen auf, wie Long Covid-Betroffene von der Gesellschaft und dem Gesundheitssystem systematisch ignoriert werden – und was dagegen zu tun ist.