Ausgabe Juli 2003

Ist das Völkerrecht noch zu retten?

Es hat sich mittlerweile herumgesprochen, dass der Irakkrieg das Gewaltverbot der UN-Charta verletzt hat. Der Schaden, den das Völkerrecht genommen hat, geht aber viel weiter. Auch in älteren, historisch tieferen Schichten wurden Strukturen zerstört, die der Kriegsverhinderung dienten. Betrachten wir die Anstrengungen der letzten tausend Jahre: Drei verschiedene Epochen suchten die Kriegsverhütung auf drei verschiedene Weisen zu erreichen – die mittelalterliche, die klassische und die moderne Epoche. Zunächst kam im Mittelalter der Gedanke auf, dass nur "gerechte Kriege" erlaubt seien. Sie mussten moralisch-religiös begründet sein – sonst fielen sie unter das Verdikt des Papstes. Nachdem diese Instanz aber ihre Autorität eingebüßt hatte – nach der Reformation also – wirkte diese Idee nicht mehr als Kriegshemmer, sondern entfachte im Gegenteil einen Dreißigjährigen Krieg. Sie bewirkte dessen Eskalation, weil sich unter dem Druck der religiösen Moral keine Macht neutral halten konnte. Sie behinderte Friedensschlüsse, weil sie die Kapitulationsbereitschaft beeinträchtigte. Denn infolge der moralischen Komponente musste der Verlierer mit tödlicher Abstrafung rechnen.

Mit dem Westfälischen Frieden begann deshalb eine neue, "klassisch" genannte Epoche des Völkerrechts: Kriege durften nicht mehr als "gerecht" deklariert werden.

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In der Dezember-Ausgabe ergründet Thomas Assheuer, was die völkische Rechte mit der Silicon-Valley-Elite verbindet, und erkennt in Ernst Jünger, einem Vordenker des historischen Faschismus, auch einen Stichwortgeber der Cyberlibertären. Ob in den USA, Russland, China oder Europa: Überall bilden Antifeminismus, Queerphobie und die selektive Geburtenförderung wichtige Bausteine faschistischer Biopolitik, argumentiert Christa Wichterich. Friederike Otto wiederum erläutert, warum wir trotz der schwachen Ergebnisse der UN-Klimakonferenz nicht in Ohnmacht verfallen dürfen und die Narrative des fossilistischen Kolonialismus herausfordern müssen. Hannes Einsporn warnt angesichts weltweit hoher Flüchtlingszahlen und immer restriktiverer Migrationspolitiken vor einem Kollaps des globalen Flüchtlingsschutzes. Und die Sozialwissenschaftler Tim Engartner und Daniel von Orloff zeigen mit Blick auf Großbritannien und die Schweiz, wie wir dem Bahndesaster entkommen könnten – nämlich mit einer gemeinwohlorientierten Bürgerbahn. 

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