Ausgabe November 2003

Die Vereinten Nationen am Scheideweg

Rede von Generalsekretär Kofi Annan vor der UN-Generalversammlung am 23. September 2003 (Wortlaut)

Auf der UN-Generalversammlung des vergangenen Jahres stellte George W. Bush die Vereinten Nationen in Sachen Irak vor die Wahl: Handelt, oder ihr seid irrelevant. Trotz zahlreicher Versuche, die Weltgemeinschaft von der Notwendigkeit eines militärischen Eingreifens im Irak zu überzeugen, fand sich im Sicherheitsrat zu Beginn des Jahres dafür keine Mehrheit. Der eigenmächtige Krieg einer "Koalition der Willigen" fand zwar mit der Besetzung Bagdads auf dem Papier ein relativ schnelles Ende, doch fordern tagtäglich Anschläge neue Opfer und der Wiederaufbau schreitet nur langsam voran. Angesichts der Schwierigkeiten, denen sich die Besatzungstruppen gegenüber sehen, erinnerte sich die US-Administration der Vereinten Nationen. Immer dringlicher forderte sie diese zur Aufbauhilfe auf. Doch halten die USA an ihrer Führungsrolle fest und benennen keinen Zeitplan für die Übernahme der Macht an den irakischen Regierungsrat in Bagdad. In deutlichen Worten kritisierte der Generalsekretär Kofi Annan zu Beginn der diesjährigen UN-Generalversammlung das unilaterale Verhalten "einiger" Staaten – insbesondere die Präventivkriegsdoktrin. Eindringlich warnte er davor, die Prinzipien, "auf denen, bei allen Unzulänglichkeiten, Frieden und Stabilität dieser Welt in den letzten 58 Jahren basierten" in Frage zu stellen. – D. Red.

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Aktuelle Ausgabe Oktober 2025

In der Oktober-Ausgabe wertet Seyla Benhabib das ungehemmte Agieren der israelischen Regierung in Gaza als Ausdruck einer neuen Ära der Straflosigkeit. Eva Illouz ergründet, warum ein Teil der progressiven Linken auf das Hamas-Massaker mit Gleichgültigkeit reagiert hat. Wolfgang Kraushaar analysiert, wie sich Gaza in eine derart mörderische Sackgasse verwandeln konnte und die Israelsolidarität hierzulande vielerorts ihren Kompass verloren hat. Anna Jikhareva erklärt, warum die Mehrheit der Ukrainer trotz dreieinhalb Jahren Vollinvasion nicht zur Kapitulation bereit ist. Jan Eijking fordert im 80. Jubiläumsjahr der Vereinten Nationen mutige Reformen zu deren Stärkung – gegen den drohenden Bedeutungsverlust. Bernd Greiner spürt den Ursprüngen des Trumpismus nach und warnt vor dessen Fortbestehen, auch ohne Trump. Andreas Fisahn sieht in den USA einen „Vampirkapitalismus“ heraufziehen. Und Johannes Geck zeigt, wie rechte und islamistische Rapper Menschenverachtung konsumierbar machen.

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