Ausgabe Oktober 2006

Kapitalismus ohne Gewerkschaften?

Die Gewerkschaften standen zwar nicht direkt an der Wiege des Kapitalismus, aber sie begleiteten schon früh seinen Aufstieg. Nach mehr als 200 Jahren historischer Erfahrung mit dem industriellen Kapitalismus drängt sich heute jedoch eine Frage auf, die lange Zeit als obsolet gelten konnte: Ist der Kapitalismus auch ohne Gewerkschaften vorstellbar? Eigentlich war diese Frage durch empirische Evidenz längst verneint worden. Gewerkschaften schienen ebenso selbstverständlich dem Kapitalismus zugehörig wie die abhängige Arbeit. Der auf freien Arbeitsmärkten basierende industrielle Kapitalismus generierte, so die historisch gesicherte Annahme, nahezu zwangsläufig Gewerkschaften als Schutz- und Verteidigungsorganisationen der Lohnarbeiter.

In der Tat hatten die sozialen Probleme im Gefolge von Liberalisierung, Privatisierung und Kommerzialisierung der Arbeit in allen industriekapitalistischen Ländern gewerkschaftliche Organisationsbildungen zur Folge. Selbst Koalitionsverbote, Sozialistengesetze und mannigfache staatliche Repression konnten die Entstehung gewerkschaftlicher Organisationen nicht unterbinden. Der frühindustriellen Leidensgeschichte folgte, mit zeitweiligen Rückschlägen, eine beispiellose Erfolgsgeschichte: Seit der Industriellen Revolution konnten die Gewerkschaften ihre Rolle in Wirtschaft, Gesellschaft und Politik sukzessive ausbauen. Wird nun das 21.

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In der Dezember-Ausgabe ergründet Thomas Assheuer, was die völkische Rechte mit der Silicon-Valley-Elite verbindet, und erkennt in Ernst Jünger, einem Vordenker des historischen Faschismus, auch einen Stichwortgeber der Cyberlibertären. Ob in den USA, Russland, China oder Europa: Überall bilden Antifeminismus, Queerphobie und die selektive Geburtenförderung wichtige Bausteine faschistischer Biopolitik, argumentiert Christa Wichterich. Friederike Otto wiederum erläutert, warum wir trotz der schwachen Ergebnisse der UN-Klimakonferenz nicht in Ohnmacht verfallen dürfen und die Narrative des fossilistischen Kolonialismus herausfordern müssen. Hannes Einsporn warnt angesichts weltweit hoher Flüchtlingszahlen und immer restriktiverer Migrationspolitiken vor einem Kollaps des globalen Flüchtlingsschutzes. Und die Sozialwissenschaftler Tim Engartner und Daniel von Orloff zeigen mit Blick auf Großbritannien und die Schweiz, wie wir dem Bahndesaster entkommen könnten – nämlich mit einer gemeinwohlorientierten Bürgerbahn. 

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