Ausgabe Mai 2009

Netanjahu - ein neuer Begin?

60 Jahre nach seiner Gründung steht der Staat Israel am Scheideweg. Die Wahlen im Februar d.J. haben die politische Landkarte vollkommen verändert. Die einst mächtige Arbeitspartei, die das Land Jahrzehnte regierte, ist mit ihren lediglich 13 Abgeordneten in der Knesset, dem 120köpfigen israelischen Parlament, nur mehr viertgrößte Fraktion. Die einst stolze linke Oppositionspartei Meretz ist auf drei Mandate geschrumpft. Zum Erschrecken vieler Wählerinnen und Wähler hat dagegen die Partei Israel Beitenu („Unser Haus Israel“) mit rassistischen Losungen gegen Israels palästinensische Bürger den dritten Platz mit 15 Abgeordneten erobert. Ihr Vorsitzender, Avigdor Liebermann, ist jetzt neuer Außenminister, obwohl intensive Ermittlungen wegen Betrugsverdachts gegen ihn laufen.

Wie erklärt sich dieser dramatische Rechtsruck?

Über 40 Jahre als Besatzungsmacht, die über dreieinhalb Millionen Palästinenser gegen ihren Willen beherrscht, haben die Moral der israelischen Gesellschaft erschüttert und in bestimmten Teilen zerstört. 14 Generationen von Soldaten im dreijährigen Pflichtdienst und noch viele tausende Reservesoldaten mussten in diesen vier Jahrzehnten Israels Besatzungskräfte stellen. Sie müssen jeden Tag Entscheidungen über das Schicksal vieler tausender Palästinenser treffen, die oft willkürlich und auch boshaft sind.

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Aktuelle Ausgabe November 2025

In der November-Ausgabe ergründen Carolin Amlinger und Oliver Nachtwey die Anziehungskraft des demokratischen Faschismus. Frank Biess legt die historischen Vorläufer von Trumps autoritärer Wende offen – ebenso wie die Lebenslügen der Bundesrepublik. Daniel Ziblatt zieht Lehren aus der Weimarer Republik für den Umgang mit den Autokraten von heute. Annette Dittert zeigt, wie Elon Musk und Nigel Farage die britische Demokratie aus den Angeln zu heben versuchen. Olga Bubich analysiert, wie Putin mit einer manipulierten Version der russischen Geschichte seinen Krieg in der Ukraine legitimiert. Ute Scheub plädiert für die Umverteilung von Wohlstand – gegen die Diktatur der Superreichen. Sonja Peteranderl erörtert, inwiefern sich Femizide und Gewalt gegen Frauen mit KI bekämpfen lassen. Und Benjamin von Brackel und Toralf Staud fragen, ob sich der Klimakollaps durch das Erreichen positiver Kipppunkte verhindern lässt.

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