Jüdische Identität im Spiegel der Moderne
Ein Preis, der nicht nur im Namen eines Wissenschaftlers, sondern eines Rabbis verliehen wird, bedeutet für mich eine besondere Herausforderung. Er hat mich dazu veranlasst, nach den jüdischen Wurzeln meiner eigenen intellektuellen Arbeit zu graben: Was an der deutschen philosophischen Tradition von Hegel (über den ich meine Doktorarbeit schrieb) bis Arendt, Horkheimer, Adorno, Benjamin, Habermas und vielen anderen war es und ist es, das mir, einem Kind sephardischer Eltern, die Sprache der kritischen Philosophie gelehrt hat? Warum hat mich diese Traditionslinie so viel tiefer geprägt als die analytische Philosophie, der ich doch als Studentin ungemein stärker ausgesetzt war?
Auch wenn ich diese autobiographischen Linien nie ins Zentrum meines Werkes gestellt habe: In dieser deutschen philosophischen Tradition habe ich wohl eine Sprache gefunden, die mich in besonderer Weise über mein jüdisches Erbe nachdenken ließ. Die deutsch-jüdische Begegnung mit der politischen und kulturellen Moderne diente mir als Spiegel zur Betrachtung meiner eigenen Erfahrungen als türkische Jüdin und Kind der Republik Atatürks.
Eine autobiographische Einführung
Erlauben Sie mir daher zunächst einige autobiographische Reflexionen. An der Schwelle zum 16. Jahrhundert, nach der Inquisition im katholischen Spanien, flohen viele Juden ins benachbarte Portugal, in die Niederlande und nach England.