Wie ein weithin sichtbares Mahnmal ragt die Ruine des ausgebrannten Grenfell Towers aus der Silhouette Westlondons hervor. 71 Menschen waren bei dem verheerenden Brand im Stadtbezirk Kensington und Chelsea im Juni 2017 ums Leben gekommen. Seitdem fordern Überlebende und Angehörige der Opfer eine schonungslose Aufklärung des Unglücks ein. Zudem hat sich an der Brandkatastrophe eine grundsätzliche Debatte um soziale Spaltung entzündet. Für viele Kritiker ist klar: Ein gefährliches Gemisch aus Privatisierung und Deregulierung, Finanzialisierung und Austeritätspolitik lässt das Leben in der pulsierenden Metropole für Menschen mit niedrigen Einkommen zum täglichen Überlebenskampf werden.
Die Wut darüber zeigte sich deutlich bei der bewegenden Trauerzeremonie in der St. Paul’s Cathedral, zu der im vergangenen Dezember, genau sechs Monate nach dem Brand, Angehörige, Anwohner und Regierungsvertreter zusammengekommen waren. Der Gottesdienst war alles andere als gewöhnlich, nicht nur weil er entsprechend der ethnischen und religiösen Herkunft vieler Toter ungewöhnlich vielfältig war, sondern vor allem wegen seines politischen Charakters. Die in der St. Paul’s Cathedral Versammelten betrauerten die Opfer einer vermeidbaren Katastrophe.