Wenn es jemanden gibt, der außer der Schutzmaskenindustrie und den Desinfektionsmittelherstellern von der Pandemie profitiert, dann die neue Regierung Irlands. Diese historische Koalition von Wahlverlierern ist Anfang Oktober 100 Tage im Amt. Viele Beobachter hatten ihr nicht so viel Zeit eingeräumt. Doch trotz einer enorm hohen Arbeitslosigkeit – im August erhielten 15,5 Prozent der Bevölkerung im erwerbstätigen Alter Zahlungen aus dem Pandemie-Hilfsfonds, im April waren es sogar 29 Prozent, während die Erwerbslosigkeit vor der Krise nur bei 4,8 Prozent lag – dreht sich die öffentliche Debatte der letzten Monate primär um die Frage: Wann können die Pubs trotz Pandemie endlich wieder aufmachen?
Im Juni wurde Micheál Martin von der konservativen Fianna Fáil als Taoiseach, Premierminister, vereidigt. Bis Dezember 2022 steht er einer konservativ-grünen Dreierkoalition vor. Danach übernimmt wieder der bisherige Regierungschef Leo Varadkar von der rechts-konservativen Fine Gael. Obwohl beide Parteien sich politisch kaum unterscheiden, hatten Fianna Fáil und Fine Gael zuvor noch nie gemeinsam regiert. Erstmals seit der Unabhängigkeit nach dem Angloirischen Krieg von 1919-21 stimmten die Fine-Gael-Abgeordneten für einen Fianna-Fáil-Regierungschef.