Ein Gespräch mit Konrad Weiß Rückblick auf den Vereinigungsprozeß
"Blätter": Am 3. Oktober 1990 erfolgt der Beitritt der DDR zur Bundesrepublik - der Abschluß eines Prozesses, mit dem wir es ein Jahr lang zu tun gehabt haben, ist in Sicht. Die Unübersichtlichkeit schwindet. Wie bewerten Sie den Vereinigungsprozeß vom jetzt absehbar gewordenen Ende her?
Konrad Weiß: Was wir erreicht haben, ist noch kein Ende, denn im Grunde genommen beginnen mit der Einigung die Probleme erst. Der 3. Oktober ist ein äußerlicher Termin. Das, was jetzt noch zusammenwachsen muß, braucht Zeit, und darüber werden sicherlich noch einige Jahre, ein Jahrzehnt, wenn nicht gar eine Generation vergehen. Man kann sicher viele Äußerlichkeiten zusammenbringen, innerhalb von einem Jahr die Autokennzeichen und die Postleitzahlen verändern, das ist alles nicht so schwierig. Mittelfristig gesehen kann man vielleicht auch die Wirtschaft aufeinander einstimmen, obwohl es da erhebliche Probleme gibt - ich denke schon, daß das gelingen wird.
"Blätter": Die Perspektive "Armenhaus Ex-DDR", ein "deutsches Mezzogiorno", von dem Jens Reich gesprochen hat, sehen Sie nicht?
Weiß: Mittelfristig nicht. Die sehe ich für den Augenblick. Fünf, sechs Jahre wird es sicher brauchen, bis man einigermaßen aus dieser Talsohle, in die wir noch gar nicht richtig runtergetaucht sind, rauskommt. Es wird also noch tiefer reingehen.