Seit Wochen schleicht er mitleidserregend durch die Lindenstraße, der idealistische Lehrer mit der Sammelbüchse für die bosnischen Flüchtlingsfrauen. Frau Beimer, selbst um die Existenz ihres kleinen Reiselädchens gegen die Schikanen des Vermieters kämpfend, gibt nicht nur ein paar blaue Scheine, sondern meldet sich auch freiwillig zur Betreuung der Lagerinsassen, einmal die Woche. Es rührt uns der unverdrossene politpädagogische Impetus der Serienmacher und es wundert uns, daß die Lindenstraße, auch gegen die konzentrierte, von Politikern unterstützte Generalattacke der Privaten, die allerhöchsten Einschaltquoten des gesamten dualen Serien-Angebots halten kann, Ihre allumfassende Problemorientiertheit scheint ein nützlicher Auffangspeicher für angesammelte Machtlosigkeitsgefühle zu sein. Nein, wir wollen alles vorgeführt bekommen, das Leid, die Morde und die unsinnigen Kämpfe aus aller Welt, wir kümmern uns, wir schauen zu, es wird nichts vergessen.
Das einfache Zeigen der Mordinstrumente und der Kriegsopfer produziert in uns das Bewußtsein von der Existenz eines allgemeinen Weltgewissens. Und die Kommentare und Talkshows stärken unsere Gewißheit, daß genügend Embargos und Kreuzzüge geplant werden, welche die Schuldigen schon bestrafen werden.