Diesmal scheint der Angriff auf die Ladenschlußzeiten final, weil besser vorbereitet als zuvor: Die Bundesregierung hat sich eine Studie beim Münchner ifo-Institut für Wirtschaftsforschung bestellt, um mit hochwissenschaftlichen Erkenntnissen den Widerstand - auch in den eigenen Reihen - gegen die "Liberalisierung" aufzuweichen. Die Forschungsergebnisse liegen vor 1), das Kabinett plant einen Ladenschlußbericht. 50- bis 55 000 Arbeitsplätze mehr versprechen die Wissenschaftler, wenn der Einzelhandel um 6 Uhr öffnet und erst um 22 Uhr Feierabend macht (S. 18). Als warteten Scharen von Konsumenten nur darauf, den Sparstrumpf aufzuschnüren oder sich mittels Kreditkarte möglichst schnell und schmerzfrei zu verschulden, um mit dem Kauf von Dingen, nach denen sie derzeit offenbar kein hinreichend drängendes Bedürfnis verspüren, ein Beschäftigungsprogramm zu finanzieren. 20 Milliarden Mehrumsatz aus dem Nichts! Die Volkswirtschaft jenseits der "wettbewerbsfeindlichen" Ladenschlußregelung muß wie eine Banknotenpresse funktionieren, nur ohne Inflationsgefahr. Da staunt der Laie und der Fachmann - macht weiter Umfragen. Die Studie stellt fest, daß die überwiegende Mehrheit der Konsumenten mit den derzeitigen Öffnungszeiten "weitgehend zufrieden" ist (13).
In der September-Ausgabe plädiert Lea Ypi für eine Migrationsdebatte im Sinne der Aufklärungsphilosophie. Cinzia Sciuto fordert, der zunehmenden Aushöhlung des Völkerrechts mit einer entschiedenen Verteidigung desselben zu begegnen – und nicht mit Resignation und falschem Realismus. Für Georg Diez markieren die Kriegsverbrechen in Gaza und die fehlenden Reaktionen darauf einen Epochenbruch; sie stünden für nicht weniger als den Verrat des Westens an der Humanität. Herfried Münkler analysiert, wie Kriege historisch endeten und Friedenszeiten begannen und was das mit Blick auf den Ukrainekrieg bedeutet. Simone Schlindwein deckt auf, wie Russland junge Afrikanerinnen mit falschen Versprechen für die Kriegswirtschaft rekrutiert. Warum die grüne Digitalisierung ein Mythos ist und was der KI-Boom den Globalen Süden kostet, erläutern Ingo Dachwitz und Sven Hilbig. Und Eva-Maria Klinkisch sowie Markus Rieger-Ladich zeigen auf, wie Long Covid-Betroffene von der Gesellschaft und dem Gesundheitssystem systematisch ignoriert werden – und was dagegen zu tun ist.