Paradoxien sozialdemokratischer Parteireform
Die deutsche Sozialdemokratie will sich erneuern, programmatisch wie organisatorisch - sich "neu aufstellen", wie ihr Generalsekretär Franz Müntefering griffig formuliert. Die Absicht kommt nicht zu früh. Das fortgesetzte Versäumnis, sich über den Zustand und die Veränderungen ihrer gesellschaftlichen und weltanschaulichen Grundlagen gründlich Rechenschaft abzulegen und den gewonnenen Einsichten entsprechend zu handeln, könnte der Partei heftig schaden. Zwar steht nicht der plötzliche Kollaps der deutschen Sozialdemokratie bevor - eine in vielen Jahrzehnten institutionalisierte politische Konfession stirbt nicht einfach so dahin, löst sich auf und verschwindet. Das Problem der SPD ist allerdings der schleichende Verfall ihrer Legitimitätsgründe und sozialen Verankerung. Diese Auszehrung ihrer Stabilität und Kontinuität stiftenden Ressourcen erlebt die Sozialdemokratie seit langem schon. Doch in den letzten Jahren hat sie sich dramatisch beschleunigt. Setzt sich die Erosion weiter fort, steht der Bestand als Partei irgendwann eben doch in Frage. Schon jetzt ist es spät, die Lage ernst genug. Hier geht es nicht um operative Vorschläge für eine Organisationsreform von Parteien. Wichtiger erscheint zunächst, das gesellschaftliche Gelände zu vermessen, in dem sich die Parteien im Allgemeinen und die Sozialdemokratie im Besonderen heute bewegen.