Ausgabe Januar 2001

Never before

Bush gegen Gore und die politische Kultur Amerikas

Wow, dieser Tage ist es einfach großartig, ein Europäer zu sein, und allemal ein europäischer Journalist. Während nach wie vor die wenigsten Beteiligten wissen, was denn eigentlich die europäische Identität ausmacht - Gefühl, Auffassung und Legitimation, um von politischer Partizipation und demokratischer Entscheidungsfindung gar nicht zu reden -, stellt die Gewißheit, kein Amerikaner zu sein, derzeit ganz sicher einen Quell der Befriedigung und großen Stolzes dar. Zumindest für diejenigen, die nicht in Zusammenhang mit einer Nation von Versagern und Idioten gebracht werden wollen. Als solche tauchten die Amerikaner jedenfalls in Europas Berichterstattung über die einzigartigen Vorgänge bei der Präsidentschaftswahl auf.

Wie schön muß es sein, die eigenen Vorurteile ohne viel Forschen, Nachdenken und Herumstochern bestätigt zu finden. Das ist einfach, bequem, effizient, und es findet die Zustimmung von Freunden und Verwandten. Mag die "Titanic", deren Credo nun mal darin besteht, Sarkasmus auf die Spitze zu treiben, mit der CoverHeadline "Amerika nach der Wahl: Das dümmste Volk der Welt" ein Sonderfall sein, so trifft das doch den Tenor vieler europäischer und vor allem deutscher Kommentare zu den Ereignissen in den Vereinigten Staaten seit dem 7. November.

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In der Dezember-Ausgabe ergründet Thomas Assheuer, was die völkische Rechte mit der Silicon-Valley-Elite verbindet, und erkennt in Ernst Jünger, einem Vordenker des historischen Faschismus, auch einen Stichwortgeber der Cyberlibertären. Ob in den USA, Russland, China oder Europa: Überall bilden Antifeminismus, Queerphobie und die selektive Geburtenförderung wichtige Bausteine faschistischer Biopolitik, argumentiert Christa Wichterich. Friederike Otto wiederum erläutert, warum wir trotz der schwachen Ergebnisse der UN-Klimakonferenz nicht in Ohnmacht verfallen dürfen und die Narrative des fossilistischen Kolonialismus herausfordern müssen. Hannes Einsporn warnt angesichts weltweit hoher Flüchtlingszahlen und immer restriktiverer Migrationspolitiken vor einem Kollaps des globalen Flüchtlingsschutzes. Und die Sozialwissenschaftler Tim Engartner und Daniel von Orloff zeigen mit Blick auf Großbritannien und die Schweiz, wie wir dem Bahndesaster entkommen könnten – nämlich mit einer gemeinwohlorientierten Bürgerbahn. 

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