Ausgabe Juni 2001

Sozialdemokratie und Bürgergesellschaft

Anmerkungen zu einer komplizierten Beziehung

Der Beginn der Romanze zwischen Sozialdemokratie und Bürgergesellschaft lässt sich nicht exakt datieren, jedenfalls profiliert sich die SPD seit über einem Jahr mit großer Intensität in der Diskussion um den "neuen Gemeinsinn". Dabei hat der Parteivorsitzende Gerhard Schröder - wie vor ihm Tony Blair in England höchstselbst versucht, das Konzept der Bürgergesellschaft in den sozialdemokratischen Traditions- und Theoriefundus einzubauen und dem Politikansatz seiner Regierung durch den Rekurs auf diesen aktuellen Leitbegriff einen theoretisch gestützten Rahmen zu verleihen. Schröders Aufsatz "Die zivile Bürgergesellschaft zur Neubestimmung der Aufgaben von Staat und Gesellschaft" im April 2000 löste eine lebhafte Diskussion im Umfeld der SPD aus. 1) Ein Jahr später nun zeigt seine Rede zur Rolle von Wirtschaftsunternehmen in der Bürgergesellschaft (auf einer Veranstaltung des SiemensForums in München vom 3. April 2001) 2) nicht nur, dass neben den Bereichen Staat und Gesellschaft notwendigerweise auch der Bereich der Wirtschaft in die Überlegungen zur "Bürgergesellschaft" einbezogen werden muss.

Die Rede mag darüber hinaus auch als ein Indiz für das ernsthafte Bestreben gelten, den politischen Kurs der SPD längerfristig auf dieses Projekt auszurichten.

Sie haben etwa 4% des Textes gelesen. Um die verbleibenden 96% zu lesen, haben Sie die folgenden Möglichkeiten:

Artikel kaufen (1€)
Digitalausgabe kaufen (10€)
Anmelden

Aktuelle Ausgabe November 2025

In der November-Ausgabe ergründen Carolin Amlinger und Oliver Nachtwey die Anziehungskraft des demokratischen Faschismus. Frank Biess legt die historischen Vorläufer von Trumps autoritärer Wende offen – ebenso wie die Lebenslügen der Bundesrepublik. Daniel Ziblatt zieht Lehren aus der Weimarer Republik für den Umgang mit den Autokraten von heute. Annette Dittert zeigt, wie Elon Musk und Nigel Farage die britische Demokratie aus den Angeln zu heben versuchen. Olga Bubich analysiert, wie Putin mit einer manipulierten Version der russischen Geschichte seinen Krieg in der Ukraine legitimiert. Ute Scheub plädiert für die Umverteilung von Wohlstand – gegen die Diktatur der Superreichen. Sonja Peteranderl erörtert, inwiefern sich Femizide und Gewalt gegen Frauen mit KI bekämpfen lassen. Und Benjamin von Brackel und Toralf Staud fragen, ob sich der Klimakollaps durch das Erreichen positiver Kipppunkte verhindern lässt.

Zur Ausgabe Probeabo

Weitere Artikel zum Thema

Warnungen aus Weimar

von Daniel Ziblatt

Autokraten sind vielerorts auf dem Vormarsch. Ihre Machtübernahme ist aber keineswegs zwangsläufig. Gerade der Blick auf die Weimarer Republik zeigt: Oft ist es das taktische Kalkül der alten Eliten, das die Antidemokraten an die Macht bringt.

Von Milošević zu Trump: Die bosnische Tragödie und der Verrat an den Bürgerrechten

von Sead Husic

Es herrschte keine Freude bei der bosnisch-herzegowinischen Regierungsdelegation am 22. November 1995 auf dem Wright-Patterson-Luftwaffenstützpunkt in Dayton. Eben hatte sie dem Friedensabkommen mit der Bundesrepublik Jugoslawien, die noch aus Serbien und Montenegro bestand, und Kroatien zugestimmt, doch sie fühlte sich betrogen.