Ausgabe Juli 2001

Pluripotenz

Ernst-Ludwig Winnacker ist ein vielseitiger Mann. Aufmerksame Leser konnten ihn in den letzten Jahren in höchst unterschiedlichen, fein aufeinander abgestimmten Rollen kennenlernen. Da ist zuerst der Wissenschaftslobbyist Winnacker. Nennen wir ihn W. 1. Er zeichnet verantwortlich für den gen- und biotechnologischen Teil einer Broschüre der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG), der keineswegs die ihr gebührende Aufmerksamkeit zuteil geworden ist (vgl. "Blätter", 12/1996). Da geht es um die Deregulierung der "Zukunftstechnologien", von denen manche es für vorteilhaft halten, im Gewande von Wissenschaft und Forschung zu marschieren und deren grenzenlose Freiheit für sich in Anspruch zu nehmen. Ein Satz mag genügen, um den Geist dieses Plädoyers für "Forschungsfreiheit" heraufzubeschwören: "Eine wesentliche Ursache für Forschungsbehinderungen stellen G e s e t z e dar. Sie schränken die Forschungsfreiheit zum Teil absichtlich ein, wie zum Beispiel das Tierschutzgesetz, zum Teil aber unbeabsichtigt [...] wie zum Beispiel das Bundesnaturschutzgesetz, das Bundesdatenschutzgesetz" (S. 2). Das ganze Pamphlet fordert für die Forschung einen Ort außerhalb jedweder gesetzlichen Beschränkung, und besonders lästig ist neben dem Betriebsverfassungsgesetz wen wundert's.e - das Embryonenschutzgesetz.

Sie haben etwa 9% des Textes gelesen. Um die verbleibenden 91% zu lesen, haben Sie die folgenden Möglichkeiten:

Artikel kaufen (1€)
Digitalausgabe kaufen (10€)
Anmelden

Aktuelle Ausgabe Dezember 2025

In der Dezember-Ausgabe ergründet Thomas Assheuer, was die völkische Rechte mit der Silicon-Valley-Elite verbindet, und erkennt in Ernst Jünger, einem Vordenker des historischen Faschismus, auch einen Stichwortgeber der Cyberlibertären. Ob in den USA, Russland, China oder Europa: Überall bilden Antifeminismus, Queerphobie und die selektive Geburtenförderung wichtige Bausteine faschistischer Biopolitik, argumentiert Christa Wichterich. Friederike Otto wiederum erläutert, warum wir trotz der schwachen Ergebnisse der UN-Klimakonferenz nicht in Ohnmacht verfallen dürfen und die Narrative des fossilistischen Kolonialismus herausfordern müssen. Hannes Einsporn warnt angesichts weltweit hoher Flüchtlingszahlen und immer restriktiverer Migrationspolitiken vor einem Kollaps des globalen Flüchtlingsschutzes. Und die Sozialwissenschaftler Tim Engartner und Daniel von Orloff zeigen mit Blick auf Großbritannien und die Schweiz, wie wir dem Bahndesaster entkommen könnten – nämlich mit einer gemeinwohlorientierten Bürgerbahn. 

Zur Ausgabe Probeabo

Weitere Artikel zum Thema

Frieden durch Recht

von Cinzia Sciuto

Am Anfang stand der 11. September 2001. Danach wurde die Lawine losgetreten: Ein langsamer, aber unaufhaltsamer Erdrutsch erfasste die internationale rechtliche und politische Ordnung. Ein Erdrutsch, der nach und nach die supranationalen Institutionen und die stets fragile, aber nie völlig illusorische Utopie einer friedlichen und auf dem Recht basierenden Weltordnung tief erschüttert hat