Ausgabe Januar 2002

Warum sind wir reich? Warum sind die anderen arm?

Oder muß man die Frage ganz anders stellen?

Die Entwicklungsdebatte, meint ein Autor1, tritt in das neue Millennium „not with a gracious jump“, sondern ziemlich hinkend ein. Das Urteil, fürchte ich, trifft zu. Seit etwa 1955 bis Ende der 80er Jahre gab es die „Dritte Welt“ kämpferisch als geographische und konzeptuelle Wirklichkeit, glaubte man an die Machbarkeit von „Entwicklung“ (inzwischen längst ein für jede Definition zugängliches Amöbenwort) und sah man den Nationalstaat als hauptsächlichen Träger dieses Vorganges an. Heute dominiert das Thema der Zivilgesellschaft, verschwimmen die ehemaligen Abgrenzungen zwischen Industriegesellschaft und peripheren Ländern und wird „Entwicklung“ als ein diffuser Vorgang, der zwischen Netzen von Staaten, Institutionen, Banken, Konzernen, Mediengesellschaften, NGOs und dem Volk vor sich geht, eingestuft und kennt Gewinner und Verlierer.2 Von einer Dritten Welt will eigentlich kaum noch jemand reden. Und meine erstsemestrigen Hörer an der Universität Wien wissen nicht mehr, was Dependenztheorie heißt. Parallel zum globalisierten Neoliberalismus hat sich eine neu-alte Entwicklungsdebatte situiert, die ganz von vorne beginnt. Es schmeichelt, daß Europa dafür den Referenzpunkt abgibt, weil gerne vom „europäischen Wunder“ oder von „europäischer Sonderentwicklung“ geredet wird.

Sie haben etwa 4% des Textes gelesen. Um die verbleibenden 96% zu lesen, haben Sie die folgenden Möglichkeiten:

Artikel kaufen (1€)
Digitalausgabe kaufen (10€)
Anmelden

Aktuelle Ausgabe Dezember 2025

In der Dezember-Ausgabe ergründet Thomas Assheuer, was die völkische Rechte mit der Silicon-Valley-Elite verbindet, und erkennt in Ernst Jünger, einem Vordenker des historischen Faschismus, auch einen Stichwortgeber der Cyberlibertären. Ob in den USA, Russland, China oder Europa: Überall bilden Antifeminismus, Queerphobie und die selektive Geburtenförderung wichtige Bausteine faschistischer Biopolitik, argumentiert Christa Wichterich. Friederike Otto wiederum erläutert, warum wir trotz der schwachen Ergebnisse der UN-Klimakonferenz nicht in Ohnmacht verfallen dürfen und die Narrative des fossilistischen Kolonialismus herausfordern müssen. Hannes Einsporn warnt angesichts weltweit hoher Flüchtlingszahlen und immer restriktiverer Migrationspolitiken vor einem Kollaps des globalen Flüchtlingsschutzes. Und die Sozialwissenschaftler Tim Engartner und Daniel von Orloff zeigen mit Blick auf Großbritannien und die Schweiz, wie wir dem Bahndesaster entkommen könnten – nämlich mit einer gemeinwohlorientierten Bürgerbahn. 

Zur Ausgabe Probeabo

Weitere Artikel zum Thema

Globales Elend und die Diktatur der Superreichen

von Ute Scheub

Sie düsen in Privatjets um die Welt, um Immobilien und Konzernketten an sich zu reißen. Sie kaufen ganze Landschaften und Inseln, um sich dort im größten Luxus abzukapseln. Sie übernehmen Massenmedien, um sich selbst zu verherrlichen und gegen Arme und Geflüchtete zu hetzen.