Nationale Selbstverteidigung als Achillesferse der UN-Charta
Der Militärschlag der USA gegen den Irak scheint lediglich eine Frage der Zeit. Vom Kongress ermächtigt, zielt die US-Administration nach wie vor auf den gewaltsamen Regimewechsel – notfalls auch ohne Zustimmung des UNSicherheitsrats.
Im Mittelpunkt der neuen Sicherheits-Doktrin (NSS 2002) steht der Wille zur präventiven Selbstverteidigung. Seiner Sicherheitsberaterin Condoleezza Rice folgend, pocht George W. Bush darauf, dass Amerika nicht erst warten müsse, bis es wiederum wie am 11. September attackiert werde. Die Bündnispartner, insbesondere in Europa, bezweifeln nicht nur ein solches Recht auf den „vorwegnehmenden Schlag“, sondern halten ihn gegenüber dem Irak für unangebracht. Die fünf ständigen Sicherheitsratsmitglieder ringen acht Wochen lang um eine gemeinsame Position. Sollte in den so offensichtlich machtpolitisch ausgetragenen internationalen Beziehungen dem Völkerrecht eine entscheidende Rolle zukommen?
Doktrin mit Vorlauf
Schon unter Bush sen. und seinen engsten Ratgebern Rumsfeld und Cheney wurde erwogen, das RegimeSaddamHusseins in einem Aufwasch mit „Desert Storm“ 1990 zu beseitigen. Man entschied sich damals anders; neben strategischen Überlegungen fürchtete man mangels eines Sicherheitsratsbeschlusses die völkerrechtliche Legitimation zu verlieren und damit den Zusammenhalt der Golfkriegsallianz zu gefährden.