Ausgabe Mai 2003

Frontfiguren

Der erfolglose Journalist und die Frau mit der kleinen Tochter müssen in New York auf einen Flug nach Europa warten, weil die Fluglotsen streiken. Vom Hotelfenster aus sieht man das hell erleuchtete Empire State Building. Er will der kleinen Alice imponieren und bläst mit voller Kraft aus dem Fenster – und tatsächlich: Der Wolkenkratzer verschwindet plötzlich in der Nacht. Aber Alice lässt sich nicht beeindrucken, schnell findet sie heraus, dass die Strahler um Mitternacht abgeschaltet werden. Der Gag aus Wim Wenders’ Film Alice in den Städten (1973) findet sich noch in weiteren Filmen: Un monde sans pitié (1989) von Eric Rochant und La Haine (1995) von Mathieu Kassowitz, nur ist es hier der Eiffelturm. Einer der Beteiligten kommentiert die Szene dort: „Sowas klappt nur im Kino“. In der Tat ist die Unterwerfung der Realität unter den Willen der gestaltenden Phantasie des Regisseurs ein alter Kinotraum und in diesen Szenen setzt die cineastische Poesie ein Zeichen für die Macht der Träume über im wirklichen Leben scheinbar unbeeinflussbare Ereignisse.

Die Bilderideologie des Irakkrieges hat diesen manipulativen Mechanismus nun umgedreht.

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Aktuelle Ausgabe September 2025

In der September-Ausgabe plädiert Lea Ypi für eine Migrationsdebatte im Sinne der Aufklärungsphilosophie. Cinzia Sciuto fordert, der zunehmenden Aushöhlung des Völkerrechts mit einer entschiedenen Verteidigung desselben zu begegnen – und nicht mit Resignation und falschem Realismus. Für Georg Diez markieren die Kriegsverbrechen in Gaza und die fehlenden Reaktionen darauf einen Epochenbruch; sie stünden für nicht weniger als den Verrat des Westens an der Humanität. Herfried Münkler analysiert, wie Kriege historisch endeten und Friedenszeiten begannen und was das mit Blick auf den Ukrainekrieg bedeutet. Simone Schlindwein deckt auf, wie Russland junge Afrikanerinnen mit falschen Versprechen für die Kriegswirtschaft rekrutiert. Warum die grüne Digitalisierung ein Mythos ist und was der KI-Boom den Globalen Süden kostet, erläutern Ingo Dachwitz und Sven Hilbig. Und Eva-Maria Klinkisch sowie Markus Rieger-Ladich zeigen auf, wie Long Covid-Betroffene von der Gesellschaft und dem Gesundheitssystem systematisch ignoriert werden – und was dagegen zu tun ist. 

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