Ausgabe April 2004

Hochschulpolitik auf Abwegen

Die gegenwärtigen Hochschulreformbemühungen in Bund und Ländern sind gekennzeichnet von dem Versuch, Globalisierung in den Strukturen der Hochschulen, in der Arbeitsorientierung ihres wissenschaftlichen Personals und in den Formen der Studiengänge zu verankern. Globalisierung steht da- bei für die weltweite kommunikative Vernetzung und Angleichung sowie für Standards in Forschung und Ausbildung, die vor allem die wirtschaftliche Produktivität fördern. Wir müssen wieder Spitze werden, verkündet Schröder für Deutschland wie andere Regierende für ihr Land, und was die Wissenschaft anbelangt, soll das in Deutschland gleich mehrfach geschehen: Zehn vom Bund finanzierte Elite-Universitäten sind geplant, während die Länder noch dabei sind, an ihren Hochschulen das Finanzierungswerte vom Nichtfinanzierungswerten zu scheiden. In solchen nationalen Größenphantasien von zehn Harvards reduziert sich Globalisierung auf die Arena, in der die technologischökonomischen Weltmeisterschaften der Nationen ausgetragen werden.

Wer Forschung und Lehre in den Dienst dieser Art Globalisierung stellen will, muss per "Reform" drei Momente beseitigen oder marginalisieren, die seit den 70er Jahren, dem Anstoß der Studentenbewegung folgend, sich an den Hochschulen herausgebildet hatten: die Enthierarchisierung, die Verpflichtung auf Aufklärung und die Öffnung der Hochschulen im Sinne eines sozialen Bürgerrechts für alle.

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Aktuelle Ausgabe November 2025

In der November-Ausgabe ergründen Carolin Amlinger und Oliver Nachtwey die Anziehungskraft des demokratischen Faschismus. Frank Biess legt die historischen Vorläufer von Trumps autoritärer Wende offen – ebenso wie die Lebenslügen der Bundesrepublik. Daniel Ziblatt zieht Lehren aus der Weimarer Republik für den Umgang mit den Autokraten von heute. Annette Dittert zeigt, wie Elon Musk und Nigel Farage die britische Demokratie aus den Angeln zu heben versuchen. Olga Bubich analysiert, wie Putin mit einer manipulierten Version der russischen Geschichte seinen Krieg in der Ukraine legitimiert. Ute Scheub plädiert für die Umverteilung von Wohlstand – gegen die Diktatur der Superreichen. Sonja Peteranderl erörtert, inwiefern sich Femizide und Gewalt gegen Frauen mit KI bekämpfen lassen. Und Benjamin von Brackel und Toralf Staud fragen, ob sich der Klimakollaps durch das Erreichen positiver Kipppunkte verhindern lässt.

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