Ausgabe Oktober 2004

Wahlfarce in Afghanistan

Anfang Oktober dieses Jahres sollen nun endlich Präsidentschaftswahlen in Afghanistan abgehalten werden. Dabei war auf der Petersberger Konferenz im Dezember 2001 beschlossen worden, dass diese bereits im Juni 2004 stattfinden sollten - gleichzeitig mit den Parlamentswahlen. 1 In der am 26. Februar 2004 verabschiedeten Verfassung wurde dies noch einmal bekräftigt.

Genau genommen ist die Amtszeit von Interimspräsident Hamid Karsai somit eigentlich längst abgelaufen; er regiert seit mehreren Monaten ohne Mandat und Legitimation. Statt jedoch sein Amt niederzulegen, verschob er wiederholt den Wahltermin. Darüber hinaus trennte Karsai eigenmächtig die Parlaments- von den Präsidentschaftswahlen; auch dies ist ein Verstoß gegen das Petersberger Abkommen wie gegen die Verfassung. Doch Petersberg ist weit und auch das Verfassungspapier mehr als geduldig. Die Salami-Taktik Karsais hat die Bevölkerung Afghanistan mittlerweile derart verunsichert, dass viele Afghanen nicht mehr daran glauben, dass diese Wahlen überhaupt noch stattfinden werden. Gleichzeitig wächst die Kritik am Präsidenten. Bereits Ende Juni forderten Demonstranten in Kabul den Rücktritt Karsais und die Einsetzung eines Übergangsrates bis zu den vorgesehenen Wahlen.

Eines steht fest: Stünden hinter Karsai nicht die USA, wäre in Afghanistan längst ein Bürgerkrieg entbrannt.

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