Ausgabe November 2004

Kooperations- vs. Konkurrenzföderalismus

Vom antifaschistischen Allheilmittel zum antidemokratischen Reformhemnis

Seit etlichen Jahren beklagen Politiker und Wissenschaftler beredt den Zustand unserer Verfassung, vornehmlich ihres Bauprinzips, sprich: des deutschen Föderalismus. "Die Balance ist verloren gegangen"1, heißt es; von "ausuferndem Föderalismus" ist allenthalben die Rede. Und sorgenvoll vermerken kundige Zeitgenossen, dass die Öffentlichkeit keine Kenntnis hat von den "schweren Mängel(n) und Verzerrungen unseres gegenwärtigen föderalen Systems".2 Statt sich durch Bürgernähe und kreative Dezentralisierung auszuzeichnen, habe sich der föderative Staat immer mehr zum bürokratischen Moloch entwickelt, zum verkappten Einheitsstaat mit einem Dschungel aus Verflechtungen zwischen Bund, Ländern und Gemeinden und einem Finanz-Wirrwarr ohnegleichen. Nicht zu vergessen die Macht des Bundesrats, der von den jeweiligen Oppositionsparteien zur Blockade des Gesetzgebungsprozesses instrumentalisiert werde.

Man ist sich also in den letzten Jahrzehnten zunehmend einig geworden, dass der Föderalismus in Deutschland "reformbedürftig" ist, ja, dass eine "Fundamentalreform" Not tue. Der Befund zur desolaten Lage des Föderalismus in Deutschland ist einhellig; der Ministerpräsident von Nordrhein- Westfalen, Peer Steinbrück, bringt ihn kurz und bündig auf den Punkt: "Zu umständlich, zu inflexibel, zu langsam und zu intransparent".

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In der Dezember-Ausgabe ergründet Thomas Assheuer, was die völkische Rechte mit der Silicon-Valley-Elite verbindet, und erkennt in Ernst Jünger, einem Vordenker des historischen Faschismus, auch einen Stichwortgeber der Cyberlibertären. Ob in den USA, Russland, China oder Europa: Überall bilden Antifeminismus, Queerphobie und die selektive Geburtenförderung wichtige Bausteine faschistischer Biopolitik, argumentiert Christa Wichterich. Friederike Otto wiederum erläutert, warum wir trotz der schwachen Ergebnisse der UN-Klimakonferenz nicht in Ohnmacht verfallen dürfen und die Narrative des fossilistischen Kolonialismus herausfordern müssen. Hannes Einsporn warnt angesichts weltweit hoher Flüchtlingszahlen und immer restriktiverer Migrationspolitiken vor einem Kollaps des globalen Flüchtlingsschutzes. Und die Sozialwissenschaftler Tim Engartner und Daniel von Orloff zeigen mit Blick auf Großbritannien und die Schweiz, wie wir dem Bahndesaster entkommen könnten – nämlich mit einer gemeinwohlorientierten Bürgerbahn. 

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