Ausgabe April 2005

Die entfesselte Exekutive

Globalisierung und liberaler Staat

Über den Niedergang staatlicher Macht aufgrund der Globalisierung ist viel geschrieben worden. Die Machtverschiebungen innerhalb des Staates in Richtung einer wachsenden Machtkonzentration bei der Exekutive haben jedoch nicht genügend Beachtung gefunden.

Immerhin hat letzthin der zunehmend problematische Charakter des Wahlsystems, ursprünglich eine der großen Errungenschaften des liberalen Staates, in Wissenschaft und Medien viel Aufmerksamkeit gefunden. Im amerikanischen Fall haben sich diese Probleme besonders unter der Bush-Regierung zugespitzt. Aber auch in anderen hochentwickelten Ländern treten die offensichtlich begrenzten Möglichkeiten der Wahlsysteme, Demokratie tatsächlich zu gewährleisten, offen zu Tage. Kein Zweifel: Fehlerhafte Wahlen tragen zu dem wachsenden Demokratiedefizit des liberalen Staates bei. Doch gewiss ebenso schwer wiegt die wachsende Macht- und Geheimhaltungskonzentration im Bereich der Exekutive. Beide bedingen das Demokratiedefizit. Die Aufmerksamkeit vor allem auf erstere zu lenken, dient in gewisser Weise dazu, die letztere zu kaschieren.

Mir geht es im Folgenden deshalb um die These, dass wir es heute jenseits der Frage fehlerhafter Wahlsysteme mit einer viel tiefer liegenden Fehlentwicklung innerhalb des liberalen Staates zu tun haben.

Die Vereinigten Staaten liefern die eindringlichste Illustration für diesen Trend.

Sie haben etwa 4% des Textes gelesen. Um die verbleibenden 96% zu lesen, haben Sie die folgenden Möglichkeiten:

Artikel kaufen (3.00€)
Digitalausgabe kaufen (10€)
Anmelden

Aktuelle Ausgabe September 2025

In der September-Ausgabe plädiert Lea Ypi für eine Migrationsdebatte im Sinne der Aufklärungsphilosophie. Cinzia Sciuto fordert, der zunehmenden Aushöhlung des Völkerrechts mit einer entschiedenen Verteidigung desselben zu begegnen – und nicht mit Resignation und falschem Realismus. Für Georg Diez markieren die Kriegsverbrechen in Gaza und die fehlenden Reaktionen darauf einen Epochenbruch; sie stünden für nicht weniger als den Verrat des Westens an der Humanität. Herfried Münkler analysiert, wie Kriege historisch endeten und Friedenszeiten begannen und was das mit Blick auf den Ukrainekrieg bedeutet. Simone Schlindwein deckt auf, wie Russland junge Afrikanerinnen mit falschen Versprechen für die Kriegswirtschaft rekrutiert. Warum die grüne Digitalisierung ein Mythos ist und was der KI-Boom den Globalen Süden kostet, erläutern Ingo Dachwitz und Sven Hilbig. Und Eva-Maria Klinkisch sowie Markus Rieger-Ladich zeigen auf, wie Long Covid-Betroffene von der Gesellschaft und dem Gesundheitssystem systematisch ignoriert werden – und was dagegen zu tun ist. 

Zur Ausgabe Probeabo

Weitere Artikel zum Thema

Politik vor Recht: Die Aushöhlung der liberalen Demokratie

von Miguel de la Riva

Als der FPÖ-Chefideologe und heutige Parteivorsitzende Herbert Kickl im Januar 2019 in einem ORF-Interview darauf angesprochen wurde, dass seine Asylpläne an die Grenzen von EU-Recht, Menschenrechtskonvention und Rechtsstaat stoßen, antwortete der damalige österreichische Innenminister, „dass das Recht der Politik zu folgen hat und nicht die Politik dem Recht“.

Ernst, aber nicht hoffnungslos

von Thorben Albrecht, Christian Krell

Spätestens seit Ralf Dahrendorfs berühmt gewordener These vom „Ende des sozialdemokratischen Jahrhunderts“ gehören SPD-Niedergangsprognosen zu den Klassikern der parteibezogenen Publizistik. Die Partei hat diese Prognose bisher um 42 Jahre überlebt. Aber das konstituiert keine Ewigkeitsgarantie.