Ausgabe Mai 2006

Das System Lidl und die globale Discountierung

Seit geraumer Zeit steht der Lebensmittel-Discounter Lidl wegen der Ausbeutung seiner Beschäftigten und Lieferanten im Zentrum massiver Proteste von Attac und Gewerkschaften. Lidl ist jedoch nur die Spitze des Eisbergs, nämlich Vorreiter eines umfassenden Prozesses der Discountierung, der zunehmend weite Bereiche der Gesellschaft erfasst. Dieser Prozess greift inzwischen über die klassischerweise als Discounter bezeichneten Unternehmen auf die Organisation des Einzelhandels insgesamt über. Er zeichnet sich generell aus durch einen extrem hohen Druck sowohl auf die Beschäftigten als auch auf die Preisbildung beim Wareneinkauf. Discountierung im Allgemeinen und das Beispiel Lidl im Besonderen werden damit zum Sinnbild der Prekarisierung von Arbeits- und Lebensverhältnissen im neoliberalen Kapitalismus insgesamt.

Das Geschäftskonzept der Discounter ist eine deutsche Erfindung der Albrecht-Brüder, die mit Aldi bereits in den 60er Jahren ins Rennen gingen. Trotz anhaltender Krise des Einzelhandels konnten die Discounter seit 1990 ihren Marktanteil fast verdoppeln. Seit 2005 entfallen 40,8 Prozent des gesamten Umsatzes im Lebensmitteleinzelhandel auf Discounter.1 Schon seit geraumer Zeit kommen Tante-Emma-Läden fast nur noch in ländlichen Regionen vor, doch heute geraten selbst Kaufhäuser und SB-Supermärkte immer stärker in Bedrängnis.

Cover Mai 2006

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