Ausgabe Juni 2008

Weltkrieg oder Weltgesellschaft?

Nie zuvor waren die Völker und Nationen der Menschheit einander so nah. Unablässig überqueren Informationen und Kapital die Ozeane zwischen Europa, Amerika und Asien. Neue Technologien ermöglichen die Verständigung im Sekundentakt und den schnellen Transport über alle Grenzen hinweg. Der internationale Handel erstreckt sich bis in die letzten Winkel aller Kontinente. Tausende von Unternehmen bauen weltweite Produktions- und Vertriebsketten auf. An den Knotenpunkten des Informationsnetzes in London und New York schmieden Investmentbanker immer neue Finanzgesellschaften, die mit dem Kapital der Reichen neue Städte, Transportwege und Fabriken in den schnell wachsenden Schwellenländern finanzieren. Die Aufholjagd der Aufsteigerstaaten und der technologische Wandel ändern das Alltagsleben radikal. Ganze Berufsgruppen verschwinden, weil neue Maschinen auf einen Schlag einige hundert Arbeitskräfte ersetzen können. Gleichzeitig verdrängen Billigimporte viele alte Produzenten. Millionen Menschen werden arbeitslos und suchen ihr Glück in der Auswanderung nach Übersee.

Der beispiellose Boom setzt eine bis dahin ungekannte Dynamik frei, und Ökonomen schwärmen von der „Aufhebung der Distanz“.1 Die Phase der national organisierten Volkswirtschaften gehe ihrem Ende entgegen, schreibt Richard Ely, einer der führenden Wirtschaftswissenschaftler der USA.

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Aktuelle Ausgabe September 2025

In der September-Ausgabe plädiert Lea Ypi für eine Migrationsdebatte im Sinne der Aufklärungsphilosophie. Cinzia Sciuto fordert, der zunehmenden Aushöhlung des Völkerrechts mit einer entschiedenen Verteidigung desselben zu begegnen – und nicht mit Resignation und falschem Realismus. Für Georg Diez markieren die Kriegsverbrechen in Gaza und die fehlenden Reaktionen darauf einen Epochenbruch; sie stünden für nicht weniger als den Verrat des Westens an der Humanität. Herfried Münkler analysiert, wie Kriege historisch endeten und Friedenszeiten begannen und was das mit Blick auf den Ukrainekrieg bedeutet. Simone Schlindwein deckt auf, wie Russland junge Afrikanerinnen mit falschen Versprechen für die Kriegswirtschaft rekrutiert. Warum die grüne Digitalisierung ein Mythos ist und was der KI-Boom den Globalen Süden kostet, erläutern Ingo Dachwitz und Sven Hilbig. Und Eva-Maria Klinkisch sowie Markus Rieger-Ladich zeigen auf, wie Long Covid-Betroffene von der Gesellschaft und dem Gesundheitssystem systematisch ignoriert werden – und was dagegen zu tun ist. 

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