Ausgabe Januar 1996

Melo-Slap

Rebecca, 30, schaut am Strand nicht nach den Männern, sondern nach den Kindern. Die glückliche und zärtliche Beziehung zu ihrem Freund Sam reicht ihr nicht, "es fehlt noch was".

Aber er will noch kein Kind, und außerdem haben sie gerade ein Ehepaar erlebt, dessen drei Töchter jenes terroristische Verhalten an den Tag legen, das wir aus lustigen Kinderfilmen kennen: Sie fressen den Beluga-Kaviar mit den Fingern und kotzen, als er ihnen nicht bekommt, in den nagelneuen Picknickkoffer. Das Paar kämpft mit einem Problem, zu dem die Natur einen Lösungsvorschlag parat hat: Rebecca ist schwanger und in ihr erwacht jener gnadenlose Muttertrieb, der aus rührenden Melodramen bekannt ist.

Aber Sam will sich nicht fügen. Als er zum zweiten Mal ihren Ultraschalltermin vergißt, verläßt sie ihn, und da wird er durch die Sehnsucht geheilt. Er trennt sich von seinem roten Porsche zugunsten einer Familienkutsche, richtet ein Kinderzimmer ein und winselt hinter Rebeccas Freunden her, bis sie ihn zum Krankenbett vorlassen: "Ich bin total verliebt in dich, weil du das Baby kriegst" - so lautet seine scheinbare Kapitulation. Natürlich sieht Sam das nicht so, denn nun ist er wieder eins mit seiner Umwelt: Zu den Erfolgen jeder perfekten Umerziehung gehört es ja, daß das Opfer mit dem Ergebnis nicht nur zufrieden, sondern glücklich sein muß.

Sie haben etwa 30% des Textes gelesen. Um die verbleibenden 70% zu lesen, haben Sie die folgenden Möglichkeiten:

Artikel kaufen (1€)
Digitalausgabe kaufen (10€)
Anmelden

Aktuelle Ausgabe September 2025

In der September-Ausgabe plädiert Lea Ypi für eine Migrationsdebatte im Sinne der Aufklärungsphilosophie. Cinzia Sciuto fordert, der zunehmenden Aushöhlung des Völkerrechts mit einer entschiedenen Verteidigung desselben zu begegnen – und nicht mit Resignation und falschem Realismus. Für Georg Diez markieren die Kriegsverbrechen in Gaza und die fehlenden Reaktionen darauf einen Epochenbruch; sie stünden für nicht weniger als den Verrat des Westens an der Humanität. Herfried Münkler analysiert, wie Kriege historisch endeten und Friedenszeiten begannen und was das mit Blick auf den Ukrainekrieg bedeutet. Simone Schlindwein deckt auf, wie Russland junge Afrikanerinnen mit falschen Versprechen für die Kriegswirtschaft rekrutiert. Warum die grüne Digitalisierung ein Mythos ist und was der KI-Boom den Globalen Süden kostet, erläutern Ingo Dachwitz und Sven Hilbig. Und Eva-Maria Klinkisch sowie Markus Rieger-Ladich zeigen auf, wie Long Covid-Betroffene von der Gesellschaft und dem Gesundheitssystem systematisch ignoriert werden – und was dagegen zu tun ist. 

Zur Ausgabe Probeabo

Weitere Artikel zum Thema

Immer jünger, immer rechter: Teenager mit Baseballschlägern

von David Begrich

Ihre Haare sind kurz, gescheitelt und streng gekämmt. Sie zeigen den White Power- oder gar den Hitlergruß. Ist der Aufschwung der rechtsextremen Jugendszene wirklich etwas Neues – oder nur eine Fortsetzung neonazistischer Gewalt?

Maskulin und libertär

von Stefan Matern, Sascha Ruppert-Karakas

Echte Männer sind rechts“ – das auf Social Media viral gegangene Video des AfD-Politikers Maximilian Krah ist mehr als nur ein lapidares Bekenntnis zu traditionellen Familien- und Geschlechterrollen. Es ist vielmehr der strategische Versuch, junge Menschen niedrigschwellig an AfD-Positionen heranzuführen. Im provokanten Politainmentstil bespielt die Partei auf den digitalen Plattformen unpolitisch anmutende Themen rund um die Probleme und persönlichen Unsicherheiten junger Männer.