Ausgabe Januar 1997

Die Winner take all-Gesellschaft

Wenn wir Musik hören, dann ist es meist eine Konserve. So kann die weltbeste Sopranistin buchstäblich überall gleichzeitig auftreten. Und weil es nicht teurer ist, von Kathleen Battles Masterbändern der Mozartarien CDs zu ziehen als von denen der Zweitbesetzung, hören die meisten von uns eben Battle. Millionen Leute sind bereit, ein paar Cent mehr zu zahlen, um sie zu hören und nicht eine andere kaum weniger begabte Sängerin. Kathleen Battle verkauft ihre Dienstleistung auf einem "Winnertake-all"-Markt. Genauso wie beispielsweise Boris Becker, Gabriel Garcia Marquez, Gerard Depardieu, Mick Jagger, George Soros, Jacques Derrida, Gari Kasparow, Giorgio Armani, Stephen Hawking, Michael Jordan, Andrew Lloyd Webber, Arnold Schwarzenegger, Katarina Witt und John Grisham.

Die Märkte, in denen diese Leute und ihresgleichen tätig sind, unterscheiden sich deutlich von denen die Ökonomen normalerweise untersuchen. Wir nennen sie Winnertake-all-Märkte, weil der in ihnen hergestellte Wert oft von der Anstrengung einiger weniger Spitzendarsteller abhängt, die entsprechend bezahlt werden. Zum Beispiel: obwohl Tausende an einem größeren Kinofilm mitwirken, entscheidet über kommerziellen Erfolg oder Flop die Leistung einer Handvoll. Das mögen der Regisseur, die Drehbuchschreiberin, die Hauptdarsteller und vielleicht noch ein paar andere sein.

Januar 1997

Sie haben etwa 5% des Textes gelesen. Um die verbleibenden 95% zu lesen, haben Sie die folgenden Möglichkeiten:

Artikel kaufen (1€)
Digitalausgabe kaufen (10€)
Anmelden

Aktuelle Ausgabe September 2025

In der September-Ausgabe plädiert Lea Ypi für eine Migrationsdebatte im Sinne der Aufklärungsphilosophie. Cinzia Sciuto fordert, der zunehmenden Aushöhlung des Völkerrechts mit einer entschiedenen Verteidigung desselben zu begegnen – und nicht mit Resignation und falschem Realismus. Für Georg Diez markieren die Kriegsverbrechen in Gaza und die fehlenden Reaktionen darauf einen Epochenbruch; sie stünden für nicht weniger als den Verrat des Westens an der Humanität. Herfried Münkler analysiert, wie Kriege historisch endeten und Friedenszeiten begannen und was das mit Blick auf den Ukrainekrieg bedeutet. Simone Schlindwein deckt auf, wie Russland junge Afrikanerinnen mit falschen Versprechen für die Kriegswirtschaft rekrutiert. Warum die grüne Digitalisierung ein Mythos ist und was der KI-Boom den Globalen Süden kostet, erläutern Ingo Dachwitz und Sven Hilbig. Und Eva-Maria Klinkisch sowie Markus Rieger-Ladich zeigen auf, wie Long Covid-Betroffene von der Gesellschaft und dem Gesundheitssystem systematisch ignoriert werden – und was dagegen zu tun ist. 

Zur Ausgabe Probeabo

Weitere Artikel zum Thema

Flucht vor der Verantwortung: Lieferkettengesetze am Ende?

von Merle Groneweg

Der 11. September erinnert nicht nur an den Einsturz des World Trade Centers in New York, sondern auch an eine der schwersten Katastrophen in der Textilindustrie: den Brand in der Fabrik Ali Enterprises in Karatschi, Pakistan.

Mythos grüne Digitalisierung

von Ingo Dachwitz, Sven Hilbig

Der Klang der Zukunft ist ein leises, elektrisches Dröhnen, das in den Knochen vibriert. Hier im Rechenzentrum herrscht niemals Stille. Es ist erfüllt von einem monotonen Chor mechanischer Flüstertöne.

Eigennutz statt Solidarität

von Klaus Seitz

Etwa eine Milliarde Euro weniger als im vergangenen Jahr steht dem Bundesentwicklungsministerium 2025 zur Verfügung. Doch nicht nur der Spardruck macht der Entwicklungszusammenarbeit zu schaffen, auch die strategische Neuausrichtung gefährdet ihre Zukunftsfähigkeit.

Wege aus der Polykrise

von Jürgen Scheffran

Trotz der jährlichen Weltklimakonferenzen steigen die globalen CO2-Emissionen immer weiter an und es droht ein negativer klimatischer Kipppunkt nach dem nächsten erreicht zu werden. Jürgen Scheffran zeigt dagegen, wie sich das Entstehen positiver Kipppunkte fördern ließe – im Energiesektor wie in der Lebensmittelversorgung.