Ich verließ Berlin, als dort die sogenannte Berliner Republik begann, man hielt mich für verrückt. Was würde ich nicht alles verpassen an Großartigkeiten! Vier Monate später: Im chinesischen Coffeeshop auf meiner malaysischen Insel verbreitet sich Grinsen, wenn das Wort Deutschland fällt. Freundliches Grinsen, von Zwinkern begleitet. Hey, hey, money makes the world go round. Die Chinesen wären die letzten, das zu bezweifeln. * Aus der Ferne betrachtet bekommt die Heimat unweigerlich etwas Exotisches. Irgendwann stand plötzlich die berühmteste Kriegsreporterin von CNN vor dem Brandenburger Tor; es war aber kein Krieg, sondern anscheinend der Jahrestag des Mauerfalls, und die Berühmte befragte mit erstaunlicher Leidenschaft einen Mr. Schmidt, von dem niemand wußte, wer er ist. Wenn man gezwungenermaßen zum Weltgucker und Weltleser geworden ist, fallen die deutschen Dinge schnell aus ihrem Rahmen. Sie stehen quasi nackt da, ohne die Girlanden des Ewig-Deutsch-Bedeutungsvollen, ohne das vertraute Pathos, ohne das ständige Vibrato des nationalen Orchesters. In den bescheidenen Bildausschnitt des Weltguckers gerieten dann Flutkatastrophen in Indien und Vietnam, Kriege hier und dort, untergegangene Schiffe, entführte Flugzeuge und - ha: wieder ein Fetzen Heimatklang: "slush funds" von Helmut Kohl.
In der Oktober-Ausgabe wertet Seyla Benhabib das ungehemmte Agieren der israelischen Regierung in Gaza als Ausdruck einer neuen Ära der Straflosigkeit. Eva Illouz ergründet, warum ein Teil der progressiven Linken auf das Hamas-Massaker mit Gleichgültigkeit reagiert hat. Wolfgang Kraushaar analysiert, wie sich Gaza in eine derart mörderische Sackgasse verwandeln konnte und die Israelsolidarität hierzulande vielerorts ihren Kompass verloren hat. Anna Jikhareva erklärt, warum die Mehrheit der Ukrainer trotz dreieinhalb Jahren Vollinvasion nicht zur Kapitulation bereit ist. Jan Eijking fordert im 80. Jubiläumsjahr der Vereinten Nationen mutige Reformen zu deren Stärkung – gegen den drohenden Bedeutungsverlust. Bernd Greiner spürt den Ursprüngen des Trumpismus nach und warnt vor dessen Fortbestehen, auch ohne Trump. Andreas Fisahn sieht in den USA einen „Vampirkapitalismus“ heraufziehen. Und Johannes Geck zeigt, wie rechte und islamistische Rapper Menschenverachtung konsumierbar machen.