Ausgabe April 2002

Reflexe und Ignoranzen

Politische Reaktionen auf die Pisa-Studie

Gelassenheit gehört nicht zu den Tugenden der Deutschen, zumindest dann nicht, wenn sich Aussitzen nicht auszahlt. Seit über einem halben Jahr sickerten die Ergebnisse des "Programme for International Student Assessment" 1), kurz Pisa genannt, bei Bildungsforschern und Kultusministerien durch: Auch dieser RundumTest der 15jährigen in 32 Ländern der OECD bescheinigte den Deutschen ein beunruhigendes Mittelmaß bei den Leistungen und ein Schulsystem, das in extrem hohem Maße nach der sozialen Herkunft selektiert. Wer arm ist an kulturellen und materiellen Gütern, hat es bis heute vier Mal schwerer, eine "Bildungskarriere" im Gymnasium zu machen, als ein Kind aus der kulturellen und sozialen Oberschicht.

Überrascht haben die ersten Pisa-Signale nicht, denn die Testserien der letzten vier Jahre, die die Schulen unter Druck gesetzt haben, wiesen trotz der netten Namen wie Iglu, Markus, Lau, Biju, Quasum oder Timss in die gleiche Richtung: In der Grundschule finden Weichenstellungen und soziale Auslesemechanismen statt, die die weiterführenden Schulsysteme kaum noch ausgleichen (können/wollen). Und: Das Interesse der Schülerinnen und Schüler am Lesen, an der Mathematik oder an naturwissenschaftlichen Fächern wie Physik und Chemie ist gering, die Leistungen spiegeln das Desinteresse wider.

Sie haben etwa 4% des Textes gelesen. Um die verbleibenden 96% zu lesen, haben Sie die folgenden Möglichkeiten:

Artikel kaufen (1€)
Digitalausgabe kaufen (10€)
Anmelden

Aktuelle Ausgabe Januar 2026

In der Januar-Ausgabe skizziert der Journalist David Brooks, wie die so dringend nötige Massenbewegung gegen den Trumpismus entstehen könnte. Der Politikwissenschaftler Philipp Lepenies erörtert, ob die Demokratie in den USA in ihrem 250. Jubiläumsjahr noch gesichert ist – und wie sie in Deutschland geschützt werden kann. Der Politikwissenschaftler Sven Altenburger beleuchtet die aktuelle Debatte um die Wehrpflicht – und deren bürgerlich-demokratische Grundlagen. Der Sinologe Lucas Brang analysiert Pekings neue Friedensdiplomatie und erörtert, welche Antwort Europa darauf finden sollte. Die Journalistinnen Susanne Götze und Annika Joeres erläutern, warum die Abhängigkeit von Öl und Gas Europas Sicherheit gefährdet und wie wir ihr entkommen. Der Medienwissenschaftler Roberto Simanowski erklärt, wie wir im Umgang mit Künstlicher Intelligenz unsere Fähigkeit zum kritischen Denken bewahren können. Und die Soziologin Judith Kohlenberger plädiert für eine »Politik der Empathie« – als ein Schlüssel zur Bekämpfung autoritärer, illiberaler Tendenzen in unserer Gesellschaft.

Zur Ausgabe Probeabo

Weitere Artikel zum Thema

Globales Elend und die Diktatur der Superreichen

von Ute Scheub

Sie düsen in Privatjets um die Welt, um Immobilien und Konzernketten an sich zu reißen. Sie kaufen ganze Landschaften und Inseln, um sich dort im größten Luxus abzukapseln. Sie übernehmen Massenmedien, um sich selbst zu verherrlichen und gegen Arme und Geflüchtete zu hetzen.