
Bild: Dawit Rezenè
Der Fall Libyen hat – in Deutschland weniger als im Ausland und speziell in Frankreich – eine erregte Debatte darüber ausgelöst, ob die internationale Gemeinschaft angesichts oft katastrophaler Entwicklungen in manchen Gesellschaften der Welt das Recht oder gar die Pflicht hat, sich massiv in die inneren Angelegenheiten von Staaten einzumischen. Einerseits gehört die Nichteinmischung in innere Angelegenheiten zu den grundlegenden Prinzipien des Völkerrechts; andererseits gebietet ein wachsender Konsens über normative und insbesondere menschenrechtliche Mindeststandards eine Einmischung, sofern diese Mindeststandards nicht eingehalten werden.
Auch wenn über jeden Fall nur im Lichte des konkreten Anlasses befunden werden kann: Die laufende Diskussion gewönne an Klarheit, wenn in ihr prinzipielle Leitperspektiven beachtet würden. Eine Einmischung in die inneren Angelegenheiten anderer Staaten wird von der internationalen Gemeinschaft nur dann geduldet werden, wenn bei den meisten Beteiligten ein gewisses gemeinsames Verständnis über angemessene Verhaltensstandards besteht. Ein solches Verständnis berührt sowohl die zwischenstaatlichen Beziehungen als auch die Behandlung der Menschen in den einzelnen Staaten. Wo es sich herausbildet, kann sich ein System kooperativer oder kollektiver Sicherheit entwickeln.