Ausgabe April 2016

Osteuropa: Vielfalt statt Einfalt

In der Januar-Ausgabe der »Blätter« übte Helmut Fehr heftige Kritik an der autoritären Entwicklung der vier Visegrád-Staaten, insbesondere Ungarns und Polens, aber auch Tschechiens und der Slowakei. Eine einseitige Sicht und ahistorische Verengung des Blicks sieht darin die deutsch-tschechische Publizistin Alena Wagnerová.

Das Verhältnis der postsozialistischen Länder Mittel- und Osteuropas gegenüber dem Westen nach 1989 lässt sich mit zwei Worten erfassen: Einholen und Rückkehren. Spielt sich das Einholen zwischen zwei ungleichen Partnern ab, dann bedeutet die Rückkehr nur die Wiederherstellung einer ursprünglichen Gleichheit, die – aus welchen Gründen auch immer – gestört wurde.[1] Und sagen wir es gleich: Je weiter östlich eines der postsozialistischen Länder liegt, umso weniger ging es nach dem Zusammenbruch des sozialistischen Systems um eine Rückkehr als vielmehr um ein Einholen. Das Einholen setzt allerdings voraus, dass der Einzuholende, in diesem Fall der Westen, dem anderen voraus ist. Nur solange der Einzuholende für den Einholenden einen besseren Teil der Welt darstellt – besetzt mit Attributen wie modern, fortschrittlich, wohlhabend, demokratisch, frei –, erscheint der Prozess des Einholens erstrebenswert und wird verfolgt.

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In der Dezember-Ausgabe ergründet Thomas Assheuer, was die völkische Rechte mit der Silicon-Valley-Elite verbindet, und erkennt in Ernst Jünger, einem Vordenker des historischen Faschismus, auch einen Stichwortgeber der Cyberlibertären. Ob in den USA, Russland, China oder Europa: Überall bilden Antifeminismus, Queerphobie und die selektive Geburtenförderung wichtige Bausteine faschistischer Biopolitik, argumentiert Christa Wichterich. Friederike Otto wiederum erläutert, warum wir trotz der schwachen Ergebnisse der UN-Klimakonferenz nicht in Ohnmacht verfallen dürfen und die Narrative des fossilistischen Kolonialismus herausfordern müssen. Hannes Einsporn warnt angesichts weltweit hoher Flüchtlingszahlen und immer restriktiverer Migrationspolitiken vor einem Kollaps des globalen Flüchtlingsschutzes. Und die Sozialwissenschaftler Tim Engartner und Daniel von Orloff zeigen mit Blick auf Großbritannien und die Schweiz, wie wir dem Bahndesaster entkommen könnten – nämlich mit einer gemeinwohlorientierten Bürgerbahn. 

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