
Bild: Jean-Luc Mélenchon beim Wahlabend der NUPES, 19.6.2022 (IMAGO/Le Pictorium)
Es ist eine herbe Niederlage, mit der Emmanuel Macron in seine zweite Amtszeit startet – und eine beispiellose obendrein. Eigentlich gilt die Parlamentswahl in Frankreich als bloße Formsache: Seit sie ab 2002 im Nachgang der Präsidentschaftswahl über die Bühne geht, haben die Wähler dem frisch gekürten Staatsoberhaupt noch stets zu einer eigenen Mehrheit in der Nationalversammlung verholfen. Nicht so am 19. Juni: Das Macron-Bündnis Ensemble gewann mit 246 zwar die meisten Abgeordneten im 577köpfigen Parlament, verfehlte die absolute Mehrheit aber um nicht weniger als 43 Sitze. Ein bitterer Rekord für den Präsidenten: Seit Beginn der Fünften Republik 1958 musste noch keine Regierung mit einer derart kleinen relativen Mehrheit auskommen.
Verantwortlich dafür sind zwei höchst gegensätzliche Kräfte: der rechtsextreme Rassemblement National (RN) von Marine Le Pen, der mit 89 Sitzen völlig überraschend ein Rekordergebnis eingefahren hat, und das neu gegründete Linksbündnis „Neue Ökologische und Soziale Volksunion“ (Nupes) um seinen Frontmann Jean-Luc Mélenchon, das mit 142 Abgeordneten aus dem Stand zur zweitstärksten Kraft in der Nationalversammlung avancierte. Da die beiden Wahlsieger Macrons Politik ähnlich radikal, wenn auch aus unterschiedlichen Gründen, ablehnen, kann sich der Präsident allenfalls auf die stark dezimierten Konservativen und fraktionslose Abgeordnete stützen.