Ausgabe November 1990

Entwicklungspolitik muß in der Ersten Welt beginnen

Umrisse einer alternativen Dritte-Welt-Politik

I. Einleitung 1)

Der Anspruch, solidarisches Handeln in der einen Welt zu organisieren, ist heute mit der Erfahrung konfrontiert, daß sich die Vielfalt der unterschiedlichen und oft sich zuspitzenden Probleme der Dritten Welt monokausalen Erklärungsmustern entzieht. Die Gegensätze von Moderne/Industrialismus und Tradition, medizinischem Fortschritt und Bevölkerungsexplosion, Markt und Plan, Abkopplung und Weltmarktintegration, endogenen und exogenen Krisenursachen kennzeichnen die Pole einer zunehmend ausdifferenzierten Diskussion, die immer weniger Antworten im Sinne eines einfachen "Entweder-Oder" erlaubt. Ein neues, umfassendes, einigermaßen konkretes Entwicklungsmodell ist nicht in Sicht. Das Bestreben, ein solches zu entwickeln, widerspricht auch der Zielsetzung einer "anderen Entwicklungspolitik".

In dem Mittelpunkt unserer Überlegungen stehen vielmehr der Prozeß hin zu mehr Selbstbestimmung und Partizipation für die Menschen im Süden, der unauflösbare Lebenszusammenhang und der damit verbundene Zwang zum solidarischen Handeln zwischen der Ersten und der Dritten Welt sowie die Entwicklung einer neuen Kultur der Zusammenarbeit, die die anhaltende Dominanz des Nordens beendet.

November 1990

Sie haben etwa 3% des Textes gelesen. Um die verbleibenden 97% zu lesen, haben Sie die folgenden Möglichkeiten:

Artikel kaufen (1€)
Digitalausgabe kaufen (10€)
Anmelden

Aktuelle Ausgabe September 2025

In der September-Ausgabe plädiert Lea Ypi für eine Migrationsdebatte im Sinne der Aufklärungsphilosophie. Cinzia Sciuto fordert, der zunehmenden Aushöhlung des Völkerrechts mit einer entschiedenen Verteidigung desselben zu begegnen – und nicht mit Resignation und falschem Realismus. Für Georg Diez markieren die Kriegsverbrechen in Gaza und die fehlenden Reaktionen darauf einen Epochenbruch; sie stünden für nicht weniger als den Verrat des Westens an der Humanität. Herfried Münkler analysiert, wie Kriege historisch endeten und Friedenszeiten begannen und was das mit Blick auf den Ukrainekrieg bedeutet. Simone Schlindwein deckt auf, wie Russland junge Afrikanerinnen mit falschen Versprechen für die Kriegswirtschaft rekrutiert. Warum die grüne Digitalisierung ein Mythos ist und was der KI-Boom den Globalen Süden kostet, erläutern Ingo Dachwitz und Sven Hilbig. Und Eva-Maria Klinkisch sowie Markus Rieger-Ladich zeigen auf, wie Long Covid-Betroffene von der Gesellschaft und dem Gesundheitssystem systematisch ignoriert werden – und was dagegen zu tun ist. 

Zur Ausgabe Probeabo

Weitere Artikel zum Thema

Die neue Merz-Doktrin?

von Jürgen Trittin

Jahrzehntelang durfte in keiner Grundsatzrede eines deutschen Politikers in Regierungsverantwortung der Satz fehlen: „Wir setzen auf die Stärke des Rechts statt auf das Recht des Stärkeren.“ Doch das war einmal. Bundeskanzler Merz‘ lautstarkes Räsonieren über den Krieg Israels gegen den Iran markiert den Bruch mit dieser Tradition.

Eigennutz statt Solidarität

von Klaus Seitz

Etwa eine Milliarde Euro weniger als im vergangenen Jahr steht dem Bundesentwicklungsministerium 2025 zur Verfügung. Doch nicht nur der Spardruck macht der Entwicklungszusammenarbeit zu schaffen, auch die strategische Neuausrichtung gefährdet ihre Zukunftsfähigkeit.

Besser als ihr Ruf: Die europäische Afrikapolitik

von Roger Peltzer

Schon unter Angela Merkel hat der afrikanische Kontinent in der deutschen Bundesregierung große politische Aufmerksamkeit erfahren. Die Ampelregierung setzt diesen Kurs fort: Seit seinem Amtsantritt reiste Bundeskanzler Olaf Scholz jedes Jahr nach Afrika.