In den letzten Jahren ist das Problem der Armut in den Mittelpunkt der entwicklungspolitischen Diskussion gerückt. Armutsbekämpfung ist eines der Schwerpunktziele der bundesdeutschen Entwicklungspolitik. Auch die Weltbank hat in den letzten Jahren zumindest verbal anerkannt, daß Armut nicht automatisch mit Wachstum verschwindet, daß die Beseitigung von Armut eine eigenständige entwicklungspolitische Aufgabe ist. Im Rahmen der traditionellen Strukturanpassungspolitik wurden in der jüngeren Vergangenheit Maßnahmen zur sozialen Abfederung angestrebt.
Nachdem die Weltbank schon im Jahre 1988 in einer Schätzung von 950 Millionen "Armen" in der Dritten Welt gesprochen hatte (davon 60% Frauen), widmet sie ihren diesjährigen Weltentwicklungsbericht (Poverty, World Development Report 1990, Washington 1990) vollständig dem Thema "Armut". Sie bemüht sich dabei zunächst um eine genauere Schätzung der quantitativen Dimensionen, wobei allerdings Armut eher als statistisches denn als gesellschaftliches Phänomen gedeutet wird. Armut, so definiert der Bericht, ist die "Unfähigkeit, einen Mindestlebensstandard zu erreichen". (S. 26) Diese Definition besagt natürlich wenig, solange weder geklärt ist, was unter "Lebensstandard" zu verstehen ist noch, wie denn das Minimum zu definieren sei.