Eine Standortbestimmung
"... alles hat sich unmerklich vollzogen, durch winzige Preisgaben, und als wir endlich den Kopf hoben, sahen wir im Spiegel ein fremdes, ein hassenswertes Gesicht: unser eigenes." Mit diesen Worten kommentierte Jean-Paul Sartre am 6. März 1958 seine Erschütterung nach der Lektüre des Buches "Die Folter" von Henri Alleg 1). Und zugleich brachte er damit den Humanitätsverlust auf den Punkt, dem zumindest Teile der französischen Linken auf dem Höhepunkt des Kolonialkrieges in Algerien Tribut zollten. 1966, also acht Jahre später, antwortet Peter Weiss auf eine Kritik zur Stockholmer Aufführung seines Stückes "Die Ermittlung" u.a. mit den eindringlichen Sätzen 2): "Die Besitztümer der reichen Nationen sind verpestet von Aasgeruch.
Der Fortschritt, von dem ihre Staatsmänner mit tränenerstickter Stimme sprechen, wird mehr und mehr zu einem Fortschritt in der Eliminierung von Menschenleben." Heute haben diese Diagnosen nicht das geringste an Aktualität eingebüßt. "Das Vergangene ist nie tot, es ist nicht einmal vergangen", lautet das Motto im Vor- und Abspann von Peter Hellers Film "Die Liebe zum Imperium", der Mitte der 70er Jahre die Greuel des deutschen Kolonialismus in Ostafrika ins Gedächtnis der internationalistisch bewegten Linken rief.