Ausgabe März 1991

Politik auf der schiefen Ebene

"Es kommt wieder Eisen in die Politik." Thomas Schmid, 1990. Alle reden vom Krieg. Wir auch, aber anders. Der Golfkrieg und die neue Bundesrepublik, - wie wäre dieses Zusammentreffen anders zu bewerten denn als katalysatorischer Prozeß, in dem die Eigentümlichkeiten des neuen Deutschlands mit aller Macht hervorgetrieben und zugespitzt werden? Gewiß, die Geschichte wiederholt sich nicht.

Aber es ist doch symptomatisch, wie Einheit und Krieg wieder einmal zusammenstoßen. In der Mitte des 19. Jahrhunderts war es die Krimkriegskonstellation gewesen - schon damals entstand die Metapher vom "Windschatten"; heute ist es die Golfkriegskonstellation, die allen Dingen Rang und Einfluß zuweist. Steht das neue Deutschland also wieder vor der gleichen Weggabel wie das alte, zwischen "Kontinentalmacht" und "Weltpolitik" zu wählen? Wie auch immer, der Krieg am Golf und ein noch lange nicht abgeschlossener Prozeß innerstaatlicher Vereinigung machen das Versagen der gerade erst gewählten Bundesregierung umso deutlicher. In dieser Kritik sind sich alle Kommentatoren einig. Bis hin zu den konservativen Medien ist von einem "Fehlstart" (FAZ) die Rede.

Aber die Motive folgen ganz unterschiedlichen Maximen. Auf die Rechten (aber nicht nur dort) hatte man sich am entscheidungsfreudigen "Ausnahmezustand" des Einheitsprozesses von 1990 berauscht.

März 1991

Sie haben etwa 7% des Textes gelesen. Um die verbleibenden 93% zu lesen, haben Sie die folgenden Möglichkeiten:

Artikel kaufen (1€)
Digitalausgabe kaufen (10€)
Anmelden

Aktuelle Ausgabe September 2025

In der September-Ausgabe plädiert Lea Ypi für eine Migrationsdebatte im Sinne der Aufklärungsphilosophie. Cinzia Sciuto fordert, der zunehmenden Aushöhlung des Völkerrechts mit einer entschiedenen Verteidigung desselben zu begegnen – und nicht mit Resignation und falschem Realismus. Für Georg Diez markieren die Kriegsverbrechen in Gaza und die fehlenden Reaktionen darauf einen Epochenbruch; sie stünden für nicht weniger als den Verrat des Westens an der Humanität. Herfried Münkler analysiert, wie Kriege historisch endeten und Friedenszeiten begannen und was das mit Blick auf den Ukrainekrieg bedeutet. Simone Schlindwein deckt auf, wie Russland junge Afrikanerinnen mit falschen Versprechen für die Kriegswirtschaft rekrutiert. Warum die grüne Digitalisierung ein Mythos ist und was der KI-Boom den Globalen Süden kostet, erläutern Ingo Dachwitz und Sven Hilbig. Und Eva-Maria Klinkisch sowie Markus Rieger-Ladich zeigen auf, wie Long Covid-Betroffene von der Gesellschaft und dem Gesundheitssystem systematisch ignoriert werden – und was dagegen zu tun ist. 

Zur Ausgabe Probeabo

Weitere Artikel zum Thema

Mythos grüne Digitalisierung

von Ingo Dachwitz, Sven Hilbig

Der Klang der Zukunft ist ein leises, elektrisches Dröhnen, das in den Knochen vibriert. Hier im Rechenzentrum herrscht niemals Stille. Es ist erfüllt von einem monotonen Chor mechanischer Flüstertöne.