Eine (Bild-) Betrachtung
Es war ein naßkalter und düsterer Abend als ich 1984 im Anschluß an eine Lesung in der Galerie Unter den Linden, schräg gegenüber der sowjetischen Botschaft, ein Buch erwarb, das mich nicht sonderlich interessierte. Zum Kauf animierten mich weder Text noch Autor, sondern ein Bild (Abbildung 1 siehe PDF Datei). Dem schmalen Bändchen war nämlich eine unscheinbare Grafik von Heidrun Hegewald beigefügt, die mich aus unerfindlichen Gründen anzog. Vielleicht war es dieser mit wenigen Strichen eingefangene Gestus, der mich auch in den folgenden Jahren immer wieder aufrührte und mich heute nachdenklich stimmt: Ein Mensch, erstarrt im Übergang zwischen zwei Formationen. Breite und Tiefe des Abgrundes unter ihm geben schwerlich Anlaß zur Besorgnis. Auf den ersten Blick hätte die Gestalt die Distanz mit einem entschlossenen Schritt problemlos hinter sich bringen können.
Dennoch mutet sie irgendwie unüberwindlich an. Der Übergangsmensch kommt weder vor noch zurück. Er klebt an seiner alten Landschaft und vermag zugleich nicht, auf dem neuen Terrain sicher Tritt zu fassen.
Aber die Gefahr eines Absturzes besteht offensichtlich nicht. Merkwürdigerweise scheint, so wie die Dinge nun mal zum Stehen gekommen sind, gerade in dieser eigentümlichen Zwitterstellung der einzige Halt zu liegen.