Zur Rekonstruktion eines nationalen Naturereignisses
Bücher, die unter dem Namen amtierender Politiker in Umlauf gebracht werden, finden in der Regel wenig Beachtung. Und zu recht, denn in der Regel kommen solche PR-Erzeugnisse über die branchenüblichen Sprechblasen kaum hinaus. Wenn hier trotzdem auf ein Politikerbuch eingegangen werden soll - Wolfgang Schäubles von zwei "Spiegel"-Redakteuren aufgezeichneten und bearbeiteten Bericht in eigener Sache: "Wie ich über die Einheit verhandelte" *) , so deshalb, weil Schäubles Selbstdarstellungs- und Selbststilisierungsdrang zu einer außergewöhnlichen Quelle geführt hat. Der Minister, der mit seinem ministerialbürokratischen Ost-Double Günter Krause die neuerliche Vereinigung der Deutschen von oben exekutieren durfte und wie kaum ein anderer neben Kohl und Genscher, Brandt und Vogel ihre Folgen zu verantworten hat, unternimmt es mit weniger als einem Jahr Abstand zur "Tat", der Geschichtsschreibung über den "Vereinigungsprozeß" vorzugreifen.
"Erfahrungsberichte erstklassiger Akteure" wie Schäubles Buch werden, so urteilt der Adenauer-Biograph Hans-Peter Schwarz ("Die Welt", 11.6.1991), "über Jahre das Geschichtsbild bestimmen." Was Schäubles "Erfahrungsbericht" aus der Vielzahl ebenfalls 1991 erschienener Instant-Memoiren - von Momper, Modrow, Mittag, Bergmann-Pohl z.B.