Nach der Vereinigung beider deutscher Staaten tut eine angemessene Aufarbeitung der Vergangenheit not. Die DDR ist zerfallen. Recht basierte dort auf Unrecht und ist oft ununterscheidbar mit demselben zusammengeronnen. Deshalb dürfen aber die Menschen, die in einem solchen System gelebt haben, nicht so behandelt werden, als seien sie auf dasselbe fixiert, konnten sich nicht verändern, bedürften nicht der zweiten oder dritten Chance, ein ihnen gemäßeres Leben selbstbestimmter einzurichten.
In dem notwendigen Verlangen, mit dem alten Unrecht aus der DDR aufzuräumen schießt die neue bundesdeutsche Rechtssuche in manchen Bereichen und gegenüber manchen Personen weit übers Ziel hinaus. Berufliche Existenzen werden vernichtet. Angeblich Schuldige werden nicht einmal angehört, bevor man sie öffentlich verdammt. In einer erklecklichen Zahl neuer Fälle versagt das Versprechen des demokratischen Rechtsstaats, in den sich die neuen Bundesländer hineingewählt haben. Akten gehen zum Markt. Vorverurteilungen mißachten die Unschuldsvermutung, ein Grundgebot der Menschenrechte. Wir halten es für nicht erträglich, diese vielfach parteiisch bestimmte Abrechnung widerspruchslos geschehen zu lassen. Nicht selten ist eine nicht akzeptable und insgeheim oder offen doppelmoralische Stellvertretermoral im Spiel.
Darum wenden wir uns an Sie in einem konkreten Fall der bekannter geworden und auch drastischer verlaufen ist als andere. Aufgrund des Vorwurfs der Gauck-Behörde, Prof. Dr. Heinrich Fink sei identisch mit dem in den MfS-Akten geführten Inoffiziellen Mitarbeiter (IM) "Heiner", ist Fink am 28. November 1991 fristlos durch den Senator für Wissenschaft und Forschung zu Berlin, Erhardt (CDU), gekündigt worden. Für den behaupteten Sachverhalt fehlt indessen der juristische Beweis. Fink wurde dennoch die Ausübung der Amtsgeschäfte des Rektors der Humboldt-Universität zu Berlin (HUB) untersagt. Nach einer ersten Wertung eines Westberliner Verwaltungsgerichts am 27. Januar 1992 wurde dem Begehren des Senators bis zum Entscheid des Arbeitsgerichts über Finks Klage nicht widersprochen. Der Prozeß vor dem Arbeitsgericht fand am 1. April 1992 statt und erbrachte Finks Freispruch - er wurde wieder in sein Amt als Professor der HUB eingesetzt. Dagegen hat der Senator noch vor Erhalt des schriftlichen Urteils Berufung eingelegt und für die Position des Rektors Schutz vor Vollzug beantragt. Zum Zeitpunkt der Formulierung dieses Briefes lehrte Fink als Theologieprofessor an der Humboldt-Universität. Er hat jedoch seit Ende November 1991 keinerlei Bezüge mehr erhalten.
Just dieser Tage ist Fink von einer entsprechend zusammengesetzten Kommission auch die Qualifikation, das Amt eines Professors weiter auszuüben, abgesprochen worden. Wir sehen eine Rechtsbeugung darin, wenn Menschen aufgrund von unbewiesenen Behauptungen, also durch Vorverurteilung, um ihren Broterwerb, ihr öffentlich wichtiges Amt und ihre Reputation gebracht werden. Deshalb müssen alle demokratisch-rechtsstaatlichen Mittel gebraucht werden, um Recht zu schaffen. Da bei der ersten Instanz eines Arbeitsgerichts der Obsiegende dennoch seine Anwaltskosten zu tragen hat, sind erhebliche Rechnungen zu begleichen. Wir halten dies für einen exemplarischen Vorgang, dessen Endresultat Konsequenzen für viele weitere Betroffene haben wird. Als persönliche Initiative bitten wir Sie deswegen, uns zu unterstützen, sowohl dadurch, daß Sie diesen Appell weitergeben als auch dazu beitragen, die Vorverurteilungen durchschaubar zu machen. Wir bitten Sie ebenso, Finks Anwaltskosten finanziell zu unterstützen. Sobald eine ausreichende Summe zusammenkommt, soll von unserem Spendenkonto auch Hilfe in anderen ähnlich gelagerten Fällen geleistet werden.