Acht Thesen zur Zukunft von Rüstungskontrolle und Abrüstung
I. Ein neues Rüstungskontrollkonzept ist erforderlich
Die Ost-West-Rüstungskontrolle war in Theorie und Praxis eine Funktion des bipolaren Konfrontationssystems; ihre Ergebnisse verlieren mit dessen Zusammenbruch entweder ihre Bedeutung oder werden auf eine Restfunktion reduziert, oder sie gewinnen neue funktionale Zusammenhänge. Mögliche neue Funktionen für Rüstungskontrolle und Abrüstung müssen heute hinsichtlich ihrer Bedingungen, Inhalte und Ziele in ähnlicher Weise neu konzipiert werden, wie dies Ende der 50er/Anfang der 60er Jahre geschah. Die klassische Rüstungskontrolltheorie verstand unter Rüstungskontrolle eine stabilitätsorientierte Steuerung des Rüstungsprozesses in einem politischen Konfliktverhältnis, wobei die Spannweite konkreter Konzeptionen bereits in der berühmt gewordenen "Daedalus"Sondernummer von 1960 1) vom Versuch einer Stabilisierung des Abschreckungsprozesses bei relativer Gleichgültigkeit gegenüber Abrüstung und Inkaufnahme von Aufrüstung bis hin zum expliziten Ziel stabilitätskonformer Abrüstung reichte. Bei allen Unterschieden zwischen verschiedenen Schulen hatte die Rüstungskontrolltheorie doch folgende gemeinsame Merkmale: Orientierung am politischen Status quo, Konzentration auf die nukleare Ebene, Perzeption eines gemeinsamen Interesses an der Stabilisierung der Abschreckung.