Die Hoffnung auf einen neuen Parteienkonsens in der Energiepolitik währte gerade ein knappes Jahr. Im November 1992 war durch einen Brief von zwei führenden Vertretern der Energiewirtschaft, Klaus Piltz (VEBA) und Friedhelm Gieske (RWE), an Bundeskanzler Kohl erstmals der Gedanke parteiübergreifender Gespräche für eine Neuausrichtung der Energiepolitik in die öffentliche Debatte geraten. Hintergrund des Schreibens war ein gemeinsamer Entwurf der beiden Energieversorgungsunternehmen und der niedersächsischen Staatskanzlei, der - bis hinein in die Reihen der Grünen - hochfliegende Erwartungen über einen Einstieg in den Ausstieg aus der Kernenergie mit Zustimmung der Energiewirtschaft weckte. Seine wichtigsten Elemente: geordnete Stillegung der vorhandenen Kernkraftwerke nach einer "Regelnutzungsdauer"; Wiedereinstieg in die Kernenergie nur mit breiter politischer Mehrheit; keine Wiederaufarbeitung von nuklearem Abfall. Auf diese Ansätze stützte sich auch der niedersächsische Ministerpräsident Gerhard Schröder, als er für die SPD die Initiative zu Verhandlungen mit den anderen Parteien - zeitweilig zu einer großen Runde mit Verbänden und Interessengruppen erweitert - ergriff. Nach mehrmonatigen Verhandlungen beschloß das SPD-Präsidium am 25. Oktober 1993 jedoch lapidar: "Der Bericht von Gerhard Schröder wird zur Kenntnis genommen.
In der September-Ausgabe plädiert Lea Ypi für eine Migrationsdebatte im Sinne der Aufklärungsphilosophie. Cinzia Sciuto fordert, der zunehmenden Aushöhlung des Völkerrechts mit einer entschiedenen Verteidigung desselben zu begegnen – und nicht mit Resignation und falschem Realismus. Für Georg Diez markieren die Kriegsverbrechen in Gaza und die fehlenden Reaktionen darauf einen Epochenbruch; sie stünden für nicht weniger als den Verrat des Westens an der Humanität. Herfried Münkler analysiert, wie Kriege historisch endeten und Friedenszeiten begannen und was das mit Blick auf den Ukrainekrieg bedeutet. Simone Schlindwein deckt auf, wie Russland junge Afrikanerinnen mit falschen Versprechen für die Kriegswirtschaft rekrutiert. Warum die grüne Digitalisierung ein Mythos ist und was der KI-Boom den Globalen Süden kostet, erläutern Ingo Dachwitz und Sven Hilbig. Und Eva-Maria Klinkisch sowie Markus Rieger-Ladich zeigen auf, wie Long Covid-Betroffene von der Gesellschaft und dem Gesundheitssystem systematisch ignoriert werden – und was dagegen zu tun ist.