Ausgabe Juni 1993

SPD: Rückkehr in die Opposition?

Ein gewisses Skandalaufkommen, das bei konservativen Politikern fast schon als selbstverständlich betrachtet wird, können sich sozialdemokratische Politiker aufgrund ihrer Wählerklientel noch lange nicht leisten. Hier genügen schon vergleichsweise geringfügige Anlässe, um politische Konsequenzen zu erzwingen, womit die wissentliche Falschaussage Engholms vor einem parlamentarischen Untersuchungsausschuß keineswegs heruntergespielt werden soll. Die "7-Tage-Lüge" in Verbindung mit seinem Image der verkörperten Glaubwürdigkeit diskreditierte Björn Engholm denn auch besonders schwer, wie der dem kometenhaften Aufstieg folgende, ebenso rasche Popularitätsverlust eindrucksvoll belegt.

In seinem Fall ist besonders tragisch, daß so das Opfer der Barschel-Machenschaften nachträglich zum Mittäter stilisiert wurde. Mit dem Rücktritt des Parteivorsitzenden und Kanzlerkandidaten befindet sich die SPD wieder einmal in einer schweren Führungskrise. Einige Kommentatoren sprechen gar von der tiefsten Krise der Partei in ihrer Nachkriegsgeschichte. Und in der Tat sollte der Umfang der bestehenden Probleme nicht unterschätzt werden. Die Zukunft der sozialdemokratischen Partei insgesamt steht zur Disposition. Verantwortlich ist hierfür allerdings weniger der Rücktritt Engholms, als vielmehr seine Politik der vergangenen Jahre.

Juni 1993

Sie haben etwa 13% des Textes gelesen. Um die verbleibenden 87% zu lesen, haben Sie die folgenden Möglichkeiten:

Artikel kaufen (1€)
Digitalausgabe kaufen (10€)
Anmelden

Aktuelle Ausgabe November 2025

In der November-Ausgabe ergründen Carolin Amlinger und Oliver Nachtwey die Anziehungskraft des demokratischen Faschismus. Frank Biess legt die historischen Vorläufer von Trumps autoritärer Wende offen – ebenso wie die Lebenslügen der Bundesrepublik. Daniel Ziblatt zieht Lehren aus der Weimarer Republik für den Umgang mit den Autokraten von heute. Annette Dittert zeigt, wie Elon Musk und Nigel Farage die britische Demokratie aus den Angeln zu heben versuchen. Olga Bubich analysiert, wie Putin mit einer manipulierten Version der russischen Geschichte seinen Krieg in der Ukraine legitimiert. Ute Scheub plädiert für die Umverteilung von Wohlstand – gegen die Diktatur der Superreichen. Sonja Peteranderl erörtert, inwiefern sich Femizide und Gewalt gegen Frauen mit KI bekämpfen lassen. Und Benjamin von Brackel und Toralf Staud fragen, ob sich der Klimakollaps durch das Erreichen positiver Kipppunkte verhindern lässt.

Zur Ausgabe Probeabo

Weitere Artikel zum Thema Parteien

Patriotische Zivilgesellschaft: Das Vorfeld der AfD

von Sebastian Beer

Alice Weidel war genervt von der Geräuschkulisse während ihres Sommerinterviews Ende Juli in der ARD. Um das Gespräch mit der AfD-Vorsitzenden zu stören, hatten sich Aktivist:innen des Künstlerkollektivs Zentrum für Politische Schönheit unweit des TV-Studios versammelt und Musik abgespielt.