Die "Schule der Interessen" zu absolvieren, empfahl jüngst der Direktor der Stiftung Wissenschaft und Politik, Michael Stürmer, der Bundesrepublik ("Frankfurter Allgemeine Zeitung", 3.4.1993). - Die "nationalen Interessen" erleben in der außenpolitischen Debatte des vereinten Deutschland eine anhaltende Hochkonjunktur. Dabei stehen Verwendungshäufigkeit und das weitgehende Fehlen ernsthafter Definitions- und Diskussionsbemühungen in einem auffälligen Widerspruch. Die Unterlassungen dürften auf Absicht zurückgehen. Gerade als unpräzise Formel erfüllen besagte "Interessen" die ihnen zugedachte Aufgabe im Programm, "Normalität nach innen und außen" (Klaus Kinkel) zu schaffen. Als Kategorie im Rahmen des Normalisierungsbegehrens leisten die "nationalen Interessen" vor allem dreierlei: Zum einen suggerieren sie einen notwendigen Bruch mit der Politik der als machtund interessen"vergessen" geltenden "alten" Bundesrepublik.
Zweitens tragen sie in doppelter Hinsicht zur Öffnung der Außen- und Sicherheitspolitik bei - die neuen, weltpolitisch ausgeweiteten Interessen bedürfen zu ihrer Durchsetzung entsprechender (Macht-)Mittel.