Ein neues Entwicklungsziel für Ost und West
Ein Kind erhält unverhofft ein lang ersehntes Geschenk. Eigentlich war dieses Geschenk nur vage versprochen worden, und zwar als Lohn großer Anstrengung. Voller Freude läßt das Kind die gerade begonnenen dringlichen Hausaufgaben liegen und nimmt das neue Spielzeug.
Aber es erweist sich als sperrig und kompliziert. Der Abend kommt, das Spiel ist nicht gelungen, und die Hausaufgaben liegen noch immer unerledigt. Da wird das Kind wütend und böse. Anfang 1993 kämpft die deutsche Gesellschaft um ihre innere Balance. Der "Aufschwung Ost" steht auf schwachen und trägen Füßen. Im Westen hat die Rezession eingesetzt. Die öffentliche Hand muß mehr Geld fließen lassen, greift aber immer häufiger ins Leere. In der politischen Klasse gilt es inzwischen als chic, echte Einschränkungen zu verlangen: "Wir müssen alle zurückstecken und unseren Lebensstil ändern." (Manifest "Weil das Land sich ändern muß", in: "Die Zeit", 13.11.1992)
Die Interessengruppen im Lande nehmen diese Aufrufe als Bedrohung ernst, verstärken ihre Wagenburgen und gehen in Erwartung der Angriffe auf ihren Lebensstandard in Verteidigungsstellung. Angesichts der gesunkenen Integrationsfähigkeit unserer fragmentierten Gesellschaft läuft der Verteilungskampf auf frustrierende Pattsituationen hinaus.