Deutscher Sonderweg und politische Semantik
"Nichts kennzeichnet vielleicht besser den Wandel, der sich im deutschen außen- und innenpolitischen Bewußtsein abgespielt hat, als der Unterschied zwischen den Obertönen, die heute mitschwingen, wenn die Redewendung "die westlichen Demokratien" verwandt wird, und den Assoziationen, die vor einem Menschenalter mit diesen Worten verbunden waren." Ernst Fraenkel, 1960 Ein Menschenalter später hat sich der Wind gedreht. Die Obertöne sind wieder einmal verändert. Zum Beispiel so: "Das Bekenntnis zur 'westlichen Wertegemeinschaft' (gemeint ist Jürgen Habermas; d. Verf.) hat fast den Charakter einer auf die totalitäre Durchdringung der gesamten Gesellschaft gerichteten politischen Utopie angenommen. Um eine Utopie handelt es sich zweifellos, weil eine 'irreversible' Entwicklung angestrebt wird, also ein finaler Zustand, der einmal festgeschrieben nicht mehr veränderbar ist. Totalitär muß diese Utopie deshalb genannt werden, weil es das Spezifikum totalitärer Systeme ist, den Anspruch auf vollständige ideologische Beeinflussung der gesamten Bevölkerung des Landes zu erheben." 1)
"Neuanfang ohne Tabus" nennt Brigitte Seebacher-Brandt diese Art von Argumentationen. Sie entstammen der Feder des Autorenteams Rainer Zitelmann, Karlheinz Weissmann und Michael Großheim, stehen aber stellvertretend für eine ganze Phalanx neudeutscher Freistilübungen.