Wenn hinten weit in Hutu-Land... Der Mythos vom landesüblichen Völkermord
In Ruanda, hören wir, sind binnen weniger Wochen 500 000 Menschen abgeschlachtet worden, unbewaffnete Zivilbevölkervng zumeist. Die Dimension des Massakers übertrifft wohl alles, was in den vergangenen Jahren auf dem Balkan, am Persischen Golf oder an anderen Brennpunkten weltweiter Empörungs- und Interventionsbereitschaft geschah.
Dennoch dominiert im Blick auf die afrikanische Tragödie weithin, bellizistisch-pazifistische Frontverläufe übergreifend, dröhnendes Schweigen. "Europa beginnt in Sarajevo" hieß eine Liste französischer Intellektueller zu den Wahlen des Straßburger EU-Parlaments. Der ruandische Konflikt liegt offenbar unterhalb der moralischen Horizonte Europas. Welchen Anteil der Westen und, wovon in diesem zivilmächtigen Land natürlich kaum je die Rede ist, im Anfang auch deutsche Kolonialpolitik - an der Entstehung der vermeintlichen Erbfeindschaft zwischen Hutu und Tutsi haben, wird allenfalls seit der nachträglichen Entsendung französischer Truppen im Juni gefragt. Ebenso wenig wird bisher reflektiert, daß und warum die UNO, westliche Staaten, die vor Ort vertretene "Völkergemeinschaft" angesichts des sich abzeichnenden, aber offenbar als "landesüblich" eingestuften Genozids zunächst nichts eiligeres zu tun hatten, als die Koffer zu packen und den Dingen ihren Lauf zu lassen.