Ausgabe August 1994

Geschichte und Gegenwart der ruandischen Tragödie

Wenn hinten weit in Hutu-Land... Der Mythos vom landesüblichen Völkermord

In Ruanda, hören wir, sind binnen weniger Wochen 500 000 Menschen abgeschlachtet worden, unbewaffnete Zivilbevölkervng zumeist. Die Dimension des Massakers übertrifft wohl alles, was in den vergangenen Jahren auf dem Balkan, am Persischen Golf oder an anderen Brennpunkten weltweiter Empörungs- und Interventionsbereitschaft geschah.

Dennoch dominiert im Blick auf die afrikanische Tragödie weithin, bellizistisch-pazifistische Frontverläufe übergreifend, dröhnendes Schweigen. "Europa beginnt in Sarajevo" hieß eine Liste französischer Intellektueller zu den Wahlen des Straßburger EU-Parlaments. Der ruandische Konflikt liegt offenbar unterhalb der moralischen Horizonte Europas. Welchen Anteil der Westen und, wovon in diesem zivilmächtigen Land natürlich kaum je die Rede ist, im Anfang auch deutsche Kolonialpolitik - an der Entstehung der vermeintlichen Erbfeindschaft zwischen Hutu und Tutsi haben, wird allenfalls seit der nachträglichen Entsendung französischer Truppen im Juni gefragt. Ebenso wenig wird bisher reflektiert, daß und warum die UNO, westliche Staaten, die vor Ort vertretene "Völkergemeinschaft" angesichts des sich abzeichnenden, aber offenbar als "landesüblich" eingestuften Genozids zunächst nichts eiligeres zu tun hatten, als die Koffer zu packen und den Dingen ihren Lauf zu lassen.

August 1994

Sie haben etwa 4% des Textes gelesen. Um die verbleibenden 96% zu lesen, haben Sie die folgenden Möglichkeiten:

Artikel kaufen (1€)
Digitalausgabe kaufen (10€)
Anmelden

Aktuelle Ausgabe Dezember 2025

In der Dezember-Ausgabe ergründet Thomas Assheuer, was die völkische Rechte mit der Silicon-Valley-Elite verbindet, und erkennt in Ernst Jünger, einem Vordenker des historischen Faschismus, auch einen Stichwortgeber der Cyberlibertären. Ob in den USA, Russland, China oder Europa: Überall bilden Antifeminismus, Queerphobie und die selektive Geburtenförderung wichtige Bausteine faschistischer Biopolitik, argumentiert Christa Wichterich. Friederike Otto wiederum erläutert, warum wir trotz der schwachen Ergebnisse der UN-Klimakonferenz nicht in Ohnmacht verfallen dürfen und die Narrative des fossilistischen Kolonialismus herausfordern müssen. Hannes Einsporn warnt angesichts weltweit hoher Flüchtlingszahlen und immer restriktiverer Migrationspolitiken vor einem Kollaps des globalen Flüchtlingsschutzes. Und die Sozialwissenschaftler Tim Engartner und Daniel von Orloff zeigen mit Blick auf Großbritannien und die Schweiz, wie wir dem Bahndesaster entkommen könnten – nämlich mit einer gemeinwohlorientierten Bürgerbahn. 

Zur Ausgabe Probeabo

Weitere Artikel zum Thema