Der Erlaß der Verteidigungspolitischen Richtlinien *) Ende 1992 wird nicht zu Unrecht als ein Wendepunkt in der Aufgabenbestimmung der Bundeswehr angesehen. Das Eingreifen in Konflikte Dritter rückt in den Vordergrund 1). Es werde künftig auch darum gehen, schreibt Karl Feldmeyer, "gerechte Kriege zu führen" 2). Im Führungsstab der Streitkräfte heißt es: Erstmals habe auch Deutschland die Möglichkeit "durch aktive und gestalterische Sicherheits- und Verteidigungspolitik Krisen auf Distanz zu halten" 3). Nach den Jahrzehnten des Wartens auf den Feind ist die Bundeswehrführung vom Drang zum Gestalten erfüllt. Mit der Bundeswehr als Instrument der Außenpolitik sollen die Spielräume des souveränen Deutschland erweitert werden 4). Aus dem Wortschatz der US-Militärstrategen ist der Begriff "Machtprojektion" entlehnt. Im Verständnis des Sicherheitsestablishments können durch Machtprojektion Handlungsoptionen zu Lasten anderer durchgesetzt werden. Wenn ein Staat über solche Fähigkeiten verfügt, kann er in seinem Interesse ordnend eingreifen. Eine solche Interventionsfähigkeit zu erlangen, ist Ziel der gegenwärtigen Bundeswehrplanung. Für die Bundeswehrführung ist es dabei von existentieller Bedeutung, ob sie für diese neue Auftragsbestimmung Akzeptanz in Politik und Gesellschaft findet.
In der September-Ausgabe plädiert Lea Ypi für eine Migrationsdebatte im Sinne der Aufklärungsphilosophie. Cinzia Sciuto fordert, der zunehmenden Aushöhlung des Völkerrechts mit einer entschiedenen Verteidigung desselben zu begegnen – und nicht mit Resignation und falschem Realismus. Für Georg Diez markieren die Kriegsverbrechen in Gaza und die fehlenden Reaktionen darauf einen Epochenbruch; sie stünden für nicht weniger als den Verrat des Westens an der Humanität. Herfried Münkler analysiert, wie Kriege historisch endeten und Friedenszeiten begannen und was das mit Blick auf den Ukrainekrieg bedeutet. Simone Schlindwein deckt auf, wie Russland junge Afrikanerinnen mit falschen Versprechen für die Kriegswirtschaft rekrutiert. Warum die grüne Digitalisierung ein Mythos ist und was der KI-Boom den Globalen Süden kostet, erläutern Ingo Dachwitz und Sven Hilbig. Und Eva-Maria Klinkisch sowie Markus Rieger-Ladich zeigen auf, wie Long Covid-Betroffene von der Gesellschaft und dem Gesundheitssystem systematisch ignoriert werden – und was dagegen zu tun ist.