Ausgabe Januar 1994

Gewalt in der Gesellschaftswelt

Die Rolle des Militärischen in der Außenpolitik der neuen Bundesrepublik

I

Der Vermutung, wir sähen einer Renaissance der militärischen Gewalt als einem Mittel der Außenpolitik auch der Bundesrepublik entgegen, möchte ich die These entgegenhalten, daß unter den Bedingungen der Gesellschaftswelt, wie wir sie im OECD-Bereich vor uns haben, militärische Gewalt nur noch als residuale Verteidigungsvorsorge wirken kann und als Mittel der Politik dysfunktional geworden ist. Es gibt viele, traditionsreiche und höchst ehrenwerte Gründe, die gegen den Einsatz der militärischen Gewalt sprechen. Sie entstammen der Religion, der Philosophie, der Ethik und der Moral, der politischen Überzeugung. Im Einklang mit diesen Absichten, aber gänzlich abweichend von deren Begründungen, möchte ich hier die These entwickeln, daß die Anwendung organisierter militärischer Gewalt unter den Bedingungen der Gesellschaftswelt zweckrational nicht mehr begründet werden kann, weil sie die ihr zugewiesenen Ziele nicht erreicht.

Ich möchte diese dem Pragmatismus und dem Utilitarismus verpflichtete These vierfach differenzieren:

1. Militärische Gewalt konnte immer und kann heute nur Verteidigung bewirken, aber nicht Sicherheit heraufführen. Diese besteht erst dann, wenn jegliche externe Bedrohung auf Dauer und verläßlich eliminiert worden ist.

2. Militärische Gewalt kann eine Aggression abwehren und/oder erfolgreich abschrecken.

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