"Kein anderes Ereignis meiner Zeit als Außenminister bewirkte ein so tiefes Nachdenken über die von Emotionen geprägte, komplexe und komplizierte Rolle Deutschlands in Vergangenheit und Gegenwart und über die Beziehungen Deutschlands zur übrigen Welt wie die Kontroverse über Präsident Reagans Besuch in Bitburg 1985." So beginnt - mit der lakonischen Überschrift "Bitburg" - das längste Kapitel der Erinnerungen, die George P. Shultz kürzlich unter dem Titel "Turmoil and Triumph. My Years as Secretary of State" veröffentlicht hat. Der seinerzeitige Chef der amerikanischen Diplomatie faßt in seiner minuziösen Ablaufschilderung die international unvergessene "lesson of Bitburg" zusammen: Was jemandem passieren kann, und sei er auch Präsident oder Außenminister der USA, wenn er sich auf den Historiker Kohl und seine Konzeption von "Versöhnung" einläßt. Die diesjährigen Debatten, Vorstöße und halben Rückzüge von Omaha Beach über Weimar und Berlin bis zu den Londoner "Schlußstrich"-Plänen für den 8. Mai 1995 (vgl. den Beitrag von Helmut Ridder in diesem Heft) demonstrieren, daß die Lektion von Bitburg keineswegs verarbeitet, keine abgeschlossene Geschichte ist.
In der November-Ausgabe ergründen Carolin Amlinger und Oliver Nachtwey die Anziehungskraft des demokratischen Faschismus. Frank Biess legt die historischen Vorläufer von Trumps autoritärer Wende offen – ebenso wie die Lebenslügen der Bundesrepublik. Daniel Ziblatt zieht Lehren aus der Weimarer Republik für den Umgang mit den Autokraten von heute. Annette Dittert zeigt, wie Elon Musk und Nigel Farage die britische Demokratie aus den Angeln zu heben versuchen. Olga Bubich analysiert, wie Putin mit einer manipulierten Version der russischen Geschichte seinen Krieg in der Ukraine legitimiert. Ute Scheub plädiert für die Umverteilung von Wohlstand – gegen die Diktatur der Superreichen. Sonja Peteranderl erörtert, inwiefern sich Femizide und Gewalt gegen Frauen mit KI bekämpfen lassen. Und Benjamin von Brackel und Toralf Staud fragen, ob sich der Klimakollaps durch das Erreichen positiver Kipppunkte verhindern lässt.